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Letzte Fischer

Titel: Letzte Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Harry Altwasser
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Milch ein. Noch vierzehn Minuten Zeit! Sie lehnte sich zurück.
    »Ich habe vielleicht eine Möglichkeit gefunden, wie ich Robert vom Schiff wegbekommen könnte.«
    »Nicht jetzt, Mutter.«
    »Wann dann?«
    »Bitte!«
    »Nein, es ist eine gute Idee!«
    »Wie immer.«
    »Ja, wie immer! Aber nicht für ewig.«
    »Also? Welche Idee?«
    »Jetzt gibt es nämlich Aquakultur, das ist, wenn Fische wie Schweine gezüchtet werden. Künstliche Seen, daneben die Verarbeitungsfabriken, dahinter die Lastkraftwagen. Überall entstehen solche Anlagen jetzt, auch hier bei uns. Sogar hier in Laage. Stell dir vor, Robert könnte keine zwanzig Kilometer von unserem Haus entfernt arbeiten. Er könnte sich zum Fischwirt umschulen lassen. Ach, er bräuchte gar nicht umschulen. Er könnte direkt einsteigen.«
    »Fischwirt? Das macht er nie. Wie das schon klingt.«
    »Aber . . .«
    »Robert Rösch, seit Jahren Hochseefischer zur Aushilfe und seit drei Jahren festangestellt, soll künstlich künstlichen Fisch fangen? Das ist unter seiner Würde, glaub mir!«
    »Nicht fangen, sondern züchten.«
    »Noch schlimmer! Das macht er nie, nie im Leben«, sagte Luise und versuchte, sich wieder zu beruhigen. Warum hatte sie diese Idee nur so aufgebracht? Sie war sich sicher, ihr Stiefvater habe auf einem Trawler angeheuert, um eben nicht nur Fisch zu fangen.
    »Vielleicht doch, vielleicht macht er es mir zuliebe«, sagte Mathilde und fügte an, es sei ihr ja lediglich ein Wunsch. Einer unter vielen.
    Doch warum log sie? Warum gab sie nicht zu, dass es sich hierbei um ihre große Hoffnung handele? Um ihre Lebenshoffnung? Mathilde befürchtete, Luise könnte etwas finden, um ihre Hoffnung zunichte zu machen. Sei es da nicht viel besser, erst gar nicht zu zeigen, wie wichtig ihr dieses Thema sei? Und so fügte sie schnell hinzu: »Nur eine Idee, habe neulich nur einen Bericht im Fernseher gesehen, deswegen.«
    Luise nickte, ehe sie sagte: »Keine Chance. Da halte ich jede Wette. Setz einen Seemann an einen Schreibtisch und er geht ein wie eine Primel im November.«
    »Primeln gehen nicht ein, das sind Ganzjahresblumen.«
    Luise erhob sich, und kurz vor der Absperrung umarmte sie ihre Mutter. Sie winkte noch einmal, ehe sich die automatische Schiebetür schloss.
    Als sie in die kleine Cessna stieg, saßen die wenigen Geschäftsreisenden schon auf ihren Plätzen. Auch Luise ließ sich leise auf den Sitz fallen und schloss, wie alle anderen Passagiere auch, die Augen. Es war zu früh, eindeutig zu früh.
    Dass ihre Firmenleitung mal wieder unfähig gewesen war, eine gute Route zu planen! Von Rostock nach Frankfurt, von Frankfurt nach Kopenhagen, von Kopenhagen nach Oslo, von Oslo nach Spitzbergen, dumm war das! »Alles Idioten, bloß ich nicht«, fluchte sie leise. Es war doch immer dasselbe! Nur weil die Firma ihren Sitz in Rio de Janeiro hatte und die Leute dort meinten, in Deutschland müsse man immer erst nach Frankfurt, bevor es ins Ausland gehen könne. Idioten! Arme Idioten! Sie stellte sich eine Sachbearbeiterin vor, die noch nie aus ihrem Stadtteil Ipanema herausgekommen war und siebenundzwanzig Kinder ernähren musste. Die Selbstschuld!
    Doch dann war Luise auch für ihren Ärger zu müde und nahm ihr Schicksal an. Sie nickte ein und schrak auf, als das Flugpersonal die Reisenden im besten Mecklenburgisch begrüßte.
    Luise rekelte sich, verschloss wie befohlen den Gurt und orderte eine Flasche Wasser. Zu schlafen lohnte sich zwar nicht, sie wusste es ja, aber ihr Körper war da anderer Meinung. Immer wieder nickte sie auf dem vierzigminütigen Flug ein und kam sich verkatert vor, als sie auf dem riesigen Flughafen ›Frankfurt am Main‹ die zwei Stunden Wartezeit totschlug.
    Zehn Stunden und fünfundvierzig Minuten war sie unterwegs, ehe sie bei zwei Grad minus in Longyearbyen auf Spitzbergen aus dem Flugzeug stieg. Sie war in Norwegen, im nordischsten Norwegen überhaupt. Noch nie war sie so weit im Norden gewesen, Luise blieb kurz vor der Eingangstür stehen, rauchte eine Zigarette und wunderte sich, dass es nur zwei Grad unter Null waren. Sollte es hier nicht viel kälter sein? Viel kälter! Sie warf die Kippe weg und ging wieder in die Flughafenhalle.
    Von ihren drei Kameraden war noch nichts zu sehen. Weder vor noch in der Halle. Luise studierte die Ankunftszeiten und seufzte auf. Noch eine Stunde, ehe der Flieger aus Kanada ankam! Eine lange, lange, verfluchte Stunde!
    »Solche Idioten überall!«, fluchte Luise, und erschrocken sahen die

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