Letzte Fischer
von dort kommt, hat keine Qualitätseinbußen! Die Fischproduktion vor den Meeresküsten ist dort vollautomatisch. Wenig Arbeit, viel Ertrag, meine Damen und Herren! – Bei uns, in unserer kleinen Farm hier, reinigen biologische Filter das Wasser, das danach wieder in den Kreislauf zurückfließen kann. Wir heizen das Wasser für den afrikanischen Wels bis auf siebenundzwanzig Grad auf, indem wir Erdwärme und Abwärme von Biogasanlagen verwenden. In nicht allzu ferner Zukunft wird ein Fischwirt von nichts und von niemandem abhängig sein. Er kann seinen eigenen Kreislauf schaffen und selbst bestimmen. Es ist eine echte Alternative, Fischwirt zu werden, und die Menschheit wird demnächst von Fischwirten stärker abhängig sein als von Landwirten. Sie sollten es sich überlegen.«
»Wo hast du mich nur hingeschleppt?«, flüsterte Robert Mathilde zu, als die Gruppe sich in Bewegung setzte, um den Rest der Fabrik zu besichtigen: »Das hier ist eine Marketingveranstaltung. Die wollen neue Bauern für ihre Projekte gewinnen. Nichts für uns, komm, lass uns abhauen.«
Er hielt Mathilde, die der Gruppe folgen wollte, am Arm und sah sie ernst an. Sie unternahm noch einen letzten Versuch: »Nur mal anschauen, ja? Wo wir schon mal hier sind!«
Er schüttelte den Kopf: »Die hier, die machen die Hochseefischer arbeitslos! Da will ich nichts mit zu tun haben! – Ich bin Gewerkschaftsmitglied, Mathilde! Das geht alles nicht so einfach, wie du dir das vorstellst.«
»Aber versteh doch, Robert! Die Hochseefischerei stirbt doch sowieso aus, da ist es doch besser, beizeiten abzuspringen und sich neu zu orientieren.«
Er schüttelte den Kopf und sagte: »Komm!«
Die Gruppe war schon verschwunden, der Pförtner sah die Röschs an und nickte ihnen freundlich zu. Robert aber streifte sich das Haarnetz ab, zog die Handschuhe, die Schuhüberzieher und den Kittel aus und gab dem verdutzten Wachmann alles zurück: »Mit mir nicht, Kollege! Sucht euch andere Trottel!«
Mathilde folgte ihm zum Auto, und auf der Rückfahrt schwiegen sie lange.
Wieder fand Robert im Radio nur den Kultursender, aber diesmal wurde kein Gedicht vorgetragen. Die kurzen Ausschnitte klassischer Musik mit den ellenlangen Erklärungen gingen ihm auf die Nerven. Kurz vor Bad Doberan sagte er: »Ich kann doch meine Kollegen nicht verraten!«
Mathilde überlegte krampfhaft. Solle sie es jetzt anmerken oder solle sie besser noch warten?
Schließlich fragte sie ihn doch mit belegter Stimme: »Sind es denn deine Kollegen, Robert?«
»Wie meinst du das denn? Natürlich! Auf See gibt es nur Kollegen. So etwas nennt man ›Besatzung‹, oder neudeutsch ›Team‹!«
»Ich meine nur, Robert, du hast schon so viele Sachen gemacht, ich meine nur, bist du wirklich ein Hochseefischer, Robert? Bist du dir da sicher oder machst du dir vielleicht etwas vor?«
Robert drehte den ganzen Oberkörper und sah seine Frau verständnislos an. Er schüttelte den Kopf, ohne antworten zu können. Wie nach einem Schlag in den Magen fühlte er sich.
In den letzten Tagen seines Urlaubs hatte Mathilde nicht mehr von Fischfarmen und Fischwirten gesprochen, und als Robert aus dem Tiefkühlfach eine Packung Fischfilets holte, an der Qualitätsgarantie hängen blieb und nach ihr rief, wunderte sie sich: »Mathilde? Mathilde! – Komm mal her, hör dir das nur mal an! – Hier, siehst du? Hör mal zu: ›Qualitätsgarantie: Beim Pangasius handelt es sich um eine weißfleischige Welsart mit sehr fettarmem Fleisch. Pangasius wird ausschließlich in Aquakultur in Vietnam gezogen. Die Zucht ist artgerecht und ökologisch, die Verarbeitung ist auf modernstem Stand. Die Tiere werden mit Bananen, Reis, Reismehl und frischen Fischen gefüttert, und das alles ohne chemische Zusätze.‹ – Ist das nicht Wahnsinn?«
»Was meinst du?«, fragte Mathilde, die in die Küche gekommen war und drei Herdplatten fürs Sonntagsessen anschaltete.
»Es gibt im Meer keinen Pangasius. Das ist ein Kunstname, das ist ein Kunstfisch! Was soll das sein? Weißfleischige Welsart? Eine Art von Wels, oder was? Ja, sicher artgerecht! Wenn ich die Art selbst erfinde, kann ich auch bestimmen, was artgerecht ist und was ungerecht. – Schwachsinn! Das ist Schwachsinn! Hier steht es: ›. . . ausschließlich in Aquakultur . . .‹ – Wahnsinn!«
»Ich verstehe noch immer nicht«, sagte Mathilde, die Robert musterte, der regungslos vor dem offenen Kühlschrank stand, die Packung in den Händen hielt und sie mit großen
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