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Letzte Haut - Roman

Letzte Haut - Roman

Titel: Letzte Haut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthes und Seitz Verlag GmbH
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Standartenführer Koch im Juli hatte er nichts unversucht gelassen, um dem der Korruption Überführten auch einen Mord zu beweisen, einen oder sogar mehrere, aber vorangekommen war er mit diesem Vorhaben nicht, und auch die Beförderung zum Hauptsturmführer Ende November hatte da nichts geholfen. Er steckte in den Ermittlungen fest, und einmal mehr war er auf dem Weg zum Arrestbunker, um den Häftling Meiners zu verhören.
    Mit bösem Blick lief er durchs Innere Lager, darauf bedacht, so wenig wie möglich wahrzunehmen. Es betreffe den Einzelnen nur das, was ihn unmittelbar angehe, alles andere dürfe er nicht wissen, wie raffiniert dieser Führerbefehl Nummer eins doch war, Schmelz lernte ihn hier erst so richtig schätzen. Was für eine Sicherheit und was für eine geniale Möglichkeit, sich zu verstecken, bot er doch allen, die sich an die Befehle hielten. Nur zu dumm, dass er den Geleitbrief von Himmler hatte, in dem ja festgeschrieben stand, dass ihn, Doktor Kurt Schmelz, alles zu interessieren habe. Wie dumm, aber auch wie herrlich. Mit diesem Geleitbrief konnte er sich jederzeit über den ersten Befehl des Führers stellen. Und stand er somit nicht über dem Führer selbst? So, wie es einem Richter gebührt? Stand somit nicht die Justiz als unangreifbar über der Politik? Kurt Schmelz lächelte bei dieser Art von Gedanken schon lange nicht mehr, er grinste nicht einmal mehr und tat sie erschöpft und aufgerieben von den sechs Monaten der Rückschläge einfach nur ab. Nur wer stumm bleibt, dachte er, kann alles sagen.
    Doch wer alles sagt, dachte Schmelz auf dem Weg zum Arrestbunker, der wird unglaubwürdig. Wie glaubwürdig ist dieser Meiners? Ist er nicht der unglaubwürdigste der ganzen Brut, die ich hochgenommen habe? All dieser Abschaum in SS Uniform, den ich mit dem Korruptionssystem von Karl Koch in Zusammenhang bringen konnte! Freudmann und May, genau wie Meiners standen sie auf der untersten Ebene. Sie waren Häftlinge, konnten sich jedoch frei im KZ bewegen. Sie waren Einkäufer und Verkäufer, die zum einen auf dem Weimarer Markt Waren besorgten und die zum anderen die Waren verkauften, die im Lager durch erpresste Schwarzarbeit hergestellt wurden. Also Sklavenarbeit. Darüber standen fünf Hauptscharführer der SS: Köhler, Michael, Blanck, Sigel und Stroink. Köhler war der Mittelsmann zu den Häftlingen, er regelte den Verkauf. Michael schlug das Gold aus den Gebissen der Häftlinge und veruntreute es. Rekonstruiertes Gewicht: fünftausend Gramm. Blanck führte wahrscheinlich zwei Buchhaltungen, wobei er die Akten der Schiebergeschäfte leider noch hatte verschwinden lassen können. Sigel und Stroink beaufsichtigten die Ausbeutung der Häftlinge in der Gärtnerei und in den Werkstätten. Diese fünf Hauptscharführer berichteten dem Hauptsturmführer Hackmann, genannt Diamantenjonny, weil er mit Stiefeln herumlief, auf die er Diamanten hatte nähen lassen. Hackmann nun war Kochs Adjutant gewesen und berichtete ausschließlich ihm und nur mündlich. Soweit das Unterschlagungssystem des Lagerleiters, dessen Männer nun alle festgesetzt worden sind. Noch schweigen sie, aber die Aussagen sind ja nur eine Frage der Zeit. Am wenigsten hat ja der Häftling Meiners zu verlieren, und wenn er erst einmal erfährt, dass die Insassen Freudmann und May mit Vergiftungserscheinungen aus ihren Zellen in die Quarantänestation des Krankenbaus gebracht worden sind, dann wird sich auch dieser Meiners ausrechnen können, dass der lange Arm von Koch bis in die Zelle reicht. Und je eher er aussagt, umso sicherer ist er, weil ich ihn dann beschützen kann, und nur dann. Ich werde ihm anbieten, ihn in ein sicheres Gefängnis nach Halle an der Saale bringen zu lassen, wo er nichts zu befürchten hat. Ich werde ihm anbieten, ihn dort unter falschem Namen und unter falschem Tatverdacht unterzubringen, wenn er vor Gericht gegen Koch aussagt, gegen Koch und die anderen. Warum sollte er sich dagegen wehren? Es ist seine einzige Chance! Wenn er Köhler verrät, verrät dieser den Hackmann, und Diamantenjonny wird dann Koch verraten, und dann soll Koch mal erklären, woher das alles gekommen ist, was wir bei ihm gefunden haben. Auch wenn davon nur noch die Listen existieren, sie sind von Waffen SS Leuten beeidigt, von Beamten der Kriminalpolizei. Außer Pohl hat Koch ja sowieso keine Freunde mehr, im Gegenteil, der eine gönnt ja dem anderen nichts, so ist der Mensch nun mal, die hohen SS Männer werden sich also alle freuen,

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