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Letzte Haut - Roman

Letzte Haut - Roman

Titel: Letzte Haut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthes und Seitz Verlag GmbH
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Liegert bestätigt worden ist. – Diese SS Leute da, hochverehrtes Gericht, diese Männer da auf der Anklagebank, die haben allesamt ihr Recht auf Leben verwirkt!“, sagte Staatsanwalt Breithaupt und setzte sich.
    Niemand sagte etwas. Nicht einmal ein Räuspern oder Husten war zu hören. Selbst der Verteidiger machte keinerlei Anstalten, den Bericht abzumildern oder mit einem Redeschwall zu vertuschen. Piepenbrock schloss nach einiger Zeit geräuschlos die Akten, lehnte sich zurück und sah vor sich hin. Er hatte die Arme verschränkt, und immer wieder schüttelte er den Kopf, ohne aufzusehen.
    Chefrichter Ende wurde diese Stille schnell unerträglich. Er riss sich zusammen, hätte aber am liebsten mit dem Hammer für Ruhe gesorgt, es war ihm, als schreie diese Stille des Raumes, der mit fast zweihundert Menschen gefüllt war, ohrenbetäubend laut.
    „Die Verteidigung beantragt eine Pause“, sagte Piepenbrock nüchtern: „Ein paar Minuten.“
    „Stattgegeben“, sagte Ende erleichtert: „Zwanzig Minuten Pause. Niemand verlässt das Gerichtsgebäude bis zur Urteilsverkündung. Die Eingänge werden bewacht.“
    Als versuchten all diese Männer mit so wenigen Geräuschen wie möglich aufzustehen und den Saal zu verlassen, meinte Schmelz und stellte erstaunt fest, dass niemand von ihnen redete. Selbst Schmitt Klevenow gehe an der Anklage vorbei, wo er doch sonst keine Gelegenheit auslasse, Drohungen auszustoßen, wunderte sich Schmelz.
    „Genickbruch“, sagte der Erbprinz zu Schmelz, während sie sich auf dem Flur eine ruhige Ecke suchten. Liebig, Tarnat und Breithaupt gesellten sich zu ihnen.
    „Das war sehr raffiniert eingefädelt von Ihnen!“, sagte Schmelz zu Breithaupt: „Sie sind ein vortrefflicher Staatsanwalt. – Erstaunlich, wie viel Macht Geschriebenes doch haben kann! Wirklich erstaunlich dieses Schweigen danach!“
    „Danke. Meinen Sie, wir haben gewonnen, meine Herren?“, fragte Breithaupt.
    „Ich wüsste nicht, was dagegen spricht“, meinte der Erbprinz: „Es würde mich überhaupt sehr wundern, würde der Prozess noch einmal aufgenommen werden. Ich rechne damit, dass Piepenbrock jetzt das Handtuch wirft. Er wird begriffen haben, dass er nichts mehr gewinnen kann. Er wird begriffen haben, dass er sich nur die Finger verbrennt, wenn er diese Verbrecher weiterhin verteidigt.“
    Die Männer rauchten schweigend, jeder ließ das Geschehene noch einmal Revue passieren, bevor sich Waldeck Pymont an Schmelz wandte: „Ich möchte Ihnen, Kurt, noch einmal in aller Form gratulieren! In den anderthalb Jahren haben Sie Rückgrat gezeigt, und stets haben Sie sehr gute Arbeit geleistet. Ohne Sie und Ihre Kollegen, Kurt, wäre das alles den Bach runtergegangen. Wir haben diesen Volksverrätern mit vereinten Kräften das Genick gebrochen. Hoffen wir nun, dass alle, und mit alle meine ich auch alle, die dem deutschen Volk Böses antun, bestraft werden. Dass es eine Wende ist. – Sie haben Ihren Mann gestanden, Kurt, und Ihr Vater kann sehr, sehr stolz auf Sie sein!“
    „Von meinem Vater weiß ich leider nichts!“
    „Na, auf jeden Fall bin ich sehr, sehr stolz auf Sie, Kurt! Und es wäre ein großes Glück für mich, wären Sie mein Sohn. Ihr Vater weiß ja gar nicht, was er verpasst! Das weiß er ja gar nicht.“
    „Haben Sie vielen Dank, Obergruppenführer! Ohne Ihre Unterstützung und Hilfe wäre ich gescheitert. Sie haben mich gerettet, erst von der Ostfront weg, dann vor Pohls Schergen. Ich kannte so etwas gar nicht, aber jetzt habe ich gemerkt, wie stärkend und wunderbar es ist, wenn man einen Mann an seiner Seite hat, der einem wirklich Schutz bieten kann. – Man muss nicht alles alleine durchstehen, auch wenn man als Muttersohn in diesem Glauben aufgewachsen ist. – Söhne mit echten Vätern, das müssen sehr glückliche Menschen sein.“
    Wortlos zog der Erbprinz den langen Richter zu sich herunter, umarmte und drückte ihn lange.
    Unbeholfen stand Schmelz stocksteif da und berührte mit den Händen schließlich ganz leicht die Taille von Waldeck Pymont. Tränen standen ihm in den Augen. Wie umarmte man einen Mann?
    Verlegen grinsten Liebig und Tarnat, die jetzt erst bemerkten, dass ihr Vorgesetzter in all den Monaten nie ein Gefühl gezeigt hatte. Nie habe er sich als Gefühlsmensch präsentiert. Sie wussten so wenig von Kurt Schmelz, so gut wie nichts aus seiner Vergangenheit, und wenn sie mal beim Bier zusammengesessen hatten, dann hatten immer nur sie beide Geschichten erzählt. Kurt

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