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Letzte Haut - Roman

Letzte Haut - Roman

Titel: Letzte Haut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthes und Seitz Verlag GmbH
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Schmelz hingegen war immer in der Gegenwart geblieben, doch nun sahen sie, wie ihn die Vergangenheit überfiel und ihn die Sehnsucht nach einer glücklichen Zukunft überkam; war der überhaupt schon erwachsen geworden? Oder war der Richter mit seinen fünfunddreißig Jahren die ganze Zeit ein Heranwachsender geblieben, der immer nur handeln wollte, handeln und Tatsachen schaffen? Abenteuer erleben? Jemand, der unverwundbar blieb, weil er sich um niemanden sorgte?
    Liebig und Tarnat sahen sich kurz an und wandten sich wie auch Breithaupt ab. Hörten sie da etwa ein Schluchzen hinter sich? An der Schulter des Prinzen? Was hatten diese beiden Männer für eine Beziehung? Liebig wagte nicht, sich umzudrehen, und dachte: Und das alles in Uniformen, in deutschen Uniformen, in deutschen Paradeuniformen der Elite. Sachen gibt es, die gibt es ja gar nicht. Heulen in Uniform, auweia, mitten im Krieg.
    „Ach, da sind Sie ja“, hörten die Männer die Stimme des Gruppenführers Schmitt Klevenow plötzlich durch den Flur schallen: „Auf ein Wort, Hauptsturmführer Schmelz, nur auf ein kleines Wort!“
    Augenblicklich wurde es still auf dem Korridor. Die mit allen Arten von Intrigen vertrauten Offiziere blickten abwechselnd zu Schmelz und zum Gruppenführer, voller Vorfreude.
    Schmitt Klevenow hatte am Eingang dem Rottenführer Tschaikow den Erhalt der Papiere bestätigt und ihn abtreten lassen. Der Kurier, der den Sonderbefehl mit einer Verspätung von vierundzwanzig Stunden abgegeben hatte, war wieder zu seinem Krad gegangen und hatte seinen linken Oberarm begutachtet, an dem er bei einem Bombenangriff auf der Schnellstraße bei Leipzig verletzt worden war. Tschaikow hatte den Splitter herausgezogen, das Handgelenk war geschwollen, der Ellenbogen hatte Schürfwunden, und er hatte den Granatsplitter achtlos fallengelassen, während Gruppenführer Schmitt Klevenow durchs Treppenhaus gelaufen war.
    Schmelz wischte sich die Tränen weg, straffte sich, drehte sich um und sah den Gruppenführer auf sich zueilen. Er blieb an der Seite des Erbprinzen und rief, was es denn gebe.
    „Ach nichts, gar nichts“, sagte Schmitt Klevenow laut genug, damit jeder Anwesende es hören könne: „Nur ein Sonderbefehl, Schmelz, nur ein Sonderbefehl vom Hauptamt!“
    „Von wem?“, fragte Waldeck Pymont unwirsch, noch ehe Schmelz reagieren konnte.
    „Ach, nur vom Reichsführer. Bestimmt nichts Wichtiges!“, sagte Schmitt Klevenow, der schon die ganze Verhandlung über auf diesen Brief gewartet hatte. Er wedelte mit ihm in der Luft herum, kam zu den Männern, die um Schmelz standen und von denen sich Liebig und Breithaupt vor Schmelz postierten, ohne es recht zu bemerken.
    Der Gruppenführer blieb stehen und reichte Schmelz den großen Umschlag.
    Noch bevor er ihn öffnen konnte, sagte Gruppenführer Schmitt Klevenow: „Versetzungsbefehl vom SS Personalamt. Sie haben augenblicklich den Marsch anzutreten. Meldung morgen früh zehn Uhr beim Gerichtsherren Treiber in Königsberg!“
    „Königsberg?“, entfuhr es Schmelz und Tarnat wie aus einem Munde. Sie sahen sich überrascht an, und Liebig spürte, wie ihn augenblicklich die Migräne wieder überfiel.
    „Der Kurier hatte Verspätung. Der Stellungsbefehl hätte schon gestern hier sein sollen“, sagte der Gruppenführer.
    „Dann hätte ich meine Aussage ja nie im Leben machen können. Ich wäre mitten auf dem Weg nach Osten gewesen“, sagte Doktor Kurt Schmelz perplex.
    „Und wer weiß, vielleicht wäre Ihre Maschine vom Feind beschossen worden“, sagte Schmitt Klevenow: „Ich meine, denkbar ist ja alles. Einfach alles.“
    „Das ist nicht zu schaffen“, mischte sich Breithaupt ein: „Bis morgen zehn Uhr? Von hier nach Königsberg?“
    „Dann wird unser guter und edler Hauptsturmführer mit einer Bestrafung rechnen müssen. Aber auf eine Strafe mehr oder weniger kann es dem Herrn ja auch nicht ankommen“, sagte Gruppenführer Schmitt Klevenow triumphierend.
    Er hielt die Blicke all der Männer aus, die ihn anstarrten, während er dachte: Ja, was glaubt ihr denn? Dass Pohl sich an den Karren pissen lässt? Pack, elendes, dummes Pack!
    „Der Hauptsturmführer kann jetzt hier nicht weg“, entschied der Erbprinz: „Er wird hier noch für eventuelle Aussagen gebraucht. Außerdem kann er ja das Urteil gar nicht mitverfolgen.“
    „Tja, so ist der Krieg“, sagte Schmitt Klevenow: „Befehl ist Befehl! Oder wollen Sie dem Hauptsturmführer einen neuen Befehl geben, der dem des

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