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Letzte Haut - Roman

Letzte Haut - Roman

Titel: Letzte Haut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthes und Seitz Verlag GmbH
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hatte.
    „Ahhh!“, schrie Karl Koch auf und ließ die Waffe los. Zur Sicherheit, nur zur Sicherheit, versetzte ihm Heinze noch einen rechten Schwinger. Koch sackte zusammen.
    Schwer atmend erhob sich der Junge und sah Schmelz an, der alles von der Tür aus verfolgt hatte und nun zusah, wie der Irrsinn, von dem er einen Moment lang geglaubt hatte, er hätte Heinze übermannt, dem Jungen wieder aus den Augen wich. Heinze, das Tier! Schmelz überkam ein Schauer.
    „Entwaffnen! Gut gemacht, Heinze!“, sagte Schmelz und dachte: Wie ein bissiger Hund!
    „Melde, Verdächtiger nach kurzem Tumult festgesetzt!“ Heinze musste diese Meldung einfach machen, sie war ihm so sehr eingeübt worden, dass er erst nach ihrem Aussprechen verstand, was Schmelz gesagt hatte, und hinzufügte: „Verstanden, entwaffnen!“
    „Wer ist denn da?“, drang die Kinderstimme noch immer aus dem Telefonhörer.
    Kurt Schmelz atmete durch, nahm den Hörer ab und sagte mit ruhiger Stimme: „Hier spricht – der Weihnachtsmann.“
    Er legte auf.
    Sie brachten den besinnungslosen Koch hinunter in die Eingangshalle, wo seine Frau keifte und schrie.
    Sie war gefesselt, wurde von Liebig und Tarnat an den Armen gehalten, und als sie Schmelz erblickte, war sie nicht mehr zu halten. Sie trat den Männern gegen die Schienbeine, schaffte es, sich aus ihren Griffen zu befreien, und rannte auf Schmelz zu, um ihn hasserfüllt und mit weit aufgerissenen Augen anzuspucken. Erschrocken wich Schmelz einen Schritt zurück und dachte: Wahnsinn, die Frau ist ja wahnsinnig! Aus der bekomme ich nie im Leben ein Geständnis heraus!
    Karl Koch war zur Besinnung gekommen, er schüttelte sich und registrierte langsam die Umgebung. Es dauerte einen Moment, bis er merkte, dass er an den Händen gefesselt war und dass seine Frau vor ihm stand, ebenfalls gefesselt. Erstaunt sah er die Männer an.
    „Ilse und Karl Koch“, sagte Doktor Schmelz: „Ich nehme Sie hiermit fest. Es besteht dringender Tatverdacht wegen Unterschlagung. Außerdem besteht Fluchtgefahr.“
    Seine Stimme hallte wider in ihm, sachlich und ruhig, und so sehr er auch in sich horchte, er spürte keinerlei Gefühle aufkommen. Nichts war da, das ihm an diesem großen Tag den Herzschlag beschleunigte. Wieder kam er sich wie blockiert vor.
    Ilse Koch war rot im Gesicht und schrie ununterbrochen zusammenhanglose Sätze, während Karl Koch schwieg und Schmelz anstarrte.
    „Dafür werden Sie hängen, du verdammtes Mistvieh!“, kreischte Ilse Koch: „Verdammtes, dummes Mistvieh!“
    „Ilse und Karl Koch“, fuhr Schmelz ruhig fort: „Da bei Ihnen beiden Fluchtgefahr besteht, werde ich Sie gleich hier in Buchenwald in Einzelhaft einbunkern lassen. Sie werden in den nächsten Tagen verhört werden, wobei Sie dann Gelegenheit haben werden, zu allen Vorwürfen Stellung zu nehmen. Bis dahin werden Sie mit niemandem Kontakt haben. Ich bin SS Obersturmführer Doktor Kurt Schmelz, Beamter der Kriminalpolizei im Hauptamt und SS Richter im Oberabschnitt neun. Zuständig für alle Verbrechen innerhalb der SS und außerhalb der SS. Ich handele im ausführlichen Auftrag des Reichsführer SS, ihres geschätzten Freundes Heinrich Himmler.“
    Karl Koch schwieg weiterhin, nur grinste er jetzt höhnisch. Allein für dieses Grinsen hätte Heinze dem Mann noch gerne eine verpasst. Für ihn war dieser Karl Koch jetzt nur noch einer der vielen, die in Buchenwald eingesperrt waren. Ein Politischer. Rotes Dreieck.
    „Ich rate Ihnen, die Sache ernst zu nehmen“, fügte Schmelz an: „Unterschlagung ist kein Kavaliersdelikt mehr und wird in Kriegszeiten mit Hochverrat gleichgesetzt. Überführte Korrupte werden mit dem Tod durch Erhängen bestraft, und genau das, liebes Ehepaar Koch, ist mein Ziel!“
    Hatte er damit zu viel gesagt? Augenblicklich bereute Schmelz, die Deckung fallengelassen zu haben. Um zu gewinnen, war doch eine der eisernen Grundregeln jedes Krieges, müsse man den Feind im Ungewissen lassen. Was für ein Trottel war er nur wieder! Jetzt wusste Koch, wie er seine Verteidigung aufbauen musste, verdammt! Schmelz hatte Mühe, sich zu beherrschen, und schloss für einen Moment die Augen, ehe er zur Decke sah und befahl, die Verdächtigen seien zu knebeln und wegzuschaffen.
    „Obersturmführer!“, brüllte Tarnat auf einmal los.
    „Untersturmführer?“, brüllte Schmelz zurück.
    „Gestatten eine Bemerkung, Obersturmführer?“, brüllte Tarnat, und Schmelz brüllte zurück: „Machen Sie Ihre Bemerkung,

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