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Letzte Haut - Roman

Letzte Haut - Roman

Titel: Letzte Haut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthes und Seitz Verlag GmbH
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liegen Akten vor, die so Einiges beweisen! Und vor mir sitzt ein junger Richter, der so wild darauf ist, sich Sporen zu verdienen. – Genau, dieser Schmelz, genau der! – Ja, ja, ich kann Ihnen aber trotzdem nur in aller Deutlichkeit raten, die Brigade Dirlewanger aus meinem Bezirk herauszuholen. Ich will den hier nicht! – Innerhalb von sieben Tagen, sonst lasse ich den Richter von der Leine! – Ja, keine Ursache! – Klar, vielleicht sehen wir uns mal wieder beim Skat. – Ja, ja, wie in alten Zeiten. – Sicher, sicher!“
    Kurt Schmelz wurde plötzlich alles klar. Krüger war auch einer von denen! Wie hatte er nur so naiv sein können? Er biss sich leicht auf die Unterlippe, während Krüger den Hörer auflegte und zufrieden grinsend sagte: „So, wieder was erledigt! Zeit fürs Mittagessen! Begleiten Sie mich, Schmelz. Sie sind ein treuer Mann!“
    „Das war alles?“, fragte Schmelz mit einer Niedergeschlagenheit, über die Krüger lachen musste, ehe er sagte: „Immerhin sind wir den erst mal los, oder nicht? So stärkt man seine Position und verliert trotzdem nicht den Kopf, merken Sie sich das, junger Mann! Sie haben Ambitionen, aber noch fehlt Ihnen das politische Geschick. Menschen sind immer nur zu Kompromissen bereit, wenn man ihnen gestattet, das Gesicht zu wahren. Mehr wollen sie gar nicht.“
    Schmelz behielt für sich, dass er so ein Geschick niemals haben werde, weil es gegen seine tiefste Überzeugung verstoße. Wer politisch geschickt hantiere, meinte er, der könne nicht juristisch einwandfrei bleiben. Und er wollte Letzteres, war dies doch nichts weniger als die Essenz seines Lebens. Er war berufen für das Richteramt, er übte nicht einfach nur den Beruf eines Richters aus! Schmelz stand auf und entschuldigte sich, er habe zu tun und könne mit dem Obergruppenführer leider nicht speisen.
    „Sie geben mir eine Abfuhr?“, fragte Krüger lachend, doch als er Schmelz gehen sah, verengten sich seine Pupillen.
    Mein Großvater aber konnte es nicht lassen, er konnte einfach nicht auf das hören, was Krüger ihm geraten hatte. Er konnte es nicht, auch wenn er die Konsequenzen bedachte, die eintreten könnten. In den folgenden sieben Tagen recherchierte er den genauen Vertriebsweg von Dirlewanger zu Berger. Er öffnete all die Pakete, die von der Brigade in die Heimat geschickt wurden, und fand Unmengen von Perlenketten, Zahngold und Bargeld in fast allen Währungen. Viele Pakete trugen in der immer gleichen Handschrift Bergers Privatadresse, auch wenn sie an dessen Hausmädchen gerichtet waren.
    Damit hatte er einen Beweis. Obergruppenführer Berger bereicherte sich. Er war korrupt, und Kurt Schmelz wollte ihn hinter Gitter bringen. Er wollte den hohen SS Offizier stürzen, ohne sich genügend Rückendeckung besorgt zu haben.
    Am vierundzwanzigsten November legte er dem obersten Gerichtsherren des Oberabschnittes Warthe einen Haftbefehl vor, auf dem der Name ‚Berger‘ und der Dienstgrad ‚Obergruppenführer‘ stand, desweiteren einen für Dirlewanger, während die Garmisch-Patenkirchen den IOC Auftrag für die ‚Olympischen Winterspiele 1940‘ zurückgab. Zwei Tage später kam es an der karelischen Landenge zu einem Grenzzwischenfall zwischen der Sowjetunion und Finnland.
    Mein Großvater war dreißig Jahre alt und stand vor dem Obergruppenführer Krüger stramm, der einen Tobsuchtsanfall bekam.
    Als Krüger sich beruhigt hatte, schüttelte er den Kopf und sagte zu Schmelz: „Ich dachte, ich hätte mich verständlich ausgedrückt, Sie Narr! Diesen Wisch unterschreibe ich nicht, natürlich nicht! Sie Narr!“
    Er zerriss die Haftbefehle und warf sie in den Rundordner, wie er den Papierkorb gerne nannte.
    Schmelz wollte etwas erwidern, doch Krüger brüllte: „Ruhe! Ich habe Sie holen lassen, damit Sie etwas gegen den Diebstahl hier unternehmen, im Kleinen, im Kleinen, Obersturmführer. Damit das nicht ausufert, und was tun Sie? Sie jagen Obergruppenführer! Ein ausgefallenes Hobby, muss ich schon sagen, Sie Narr! ‚Jedem das Seine‘, wissen Sie das? Kennen Sie dieses wahre Wort unseres größten Dichters?“
    „Es wurde mir schon einmal zum Verhängnis“, sagte Schmelz kühl und machte keine Anstalten, sich zu erklären.
    „Wie dem auch sei, ich verbiete Ihnen hiermit die Fortsetzung der Aktivitäten! Tun Sie es trotzdem, kann ich Ihnen versichern, dass Sie an die Ostfront kommen, Sie Narr! Sind Sie verrückt? Sind Sie ernsthaft verrückt? Krank? Gehören Sie in die Psychiatrie?

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