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Letzte Instanz

Letzte Instanz

Titel: Letzte Instanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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zwischen
uns lag. »Was ist dann?«
    »Es wird schwer sein, das
geheimzuhalten. Die Medien haben ein gewisses Interesse an dem Fall, und auch
auf das Polizeipräsidium wird nicht wenig Druck ausgeübt.«
    »Ich frage mich ohnehin, ob es falsch
wäre, die Sache an die Öffentlichkeit zu bringen.«
    Judy gab einen Protestlaut von sich.
    »Ich weiß, wie Sie sich fühlen«, sagte
ich zu ihr, »aber, wenn die Öffentlichkeit annimmt, Ihre Mutter habe gestanden,
bevor sie sich umbrachte, dann könnte das jemanden aus der Reserve locken.«
    »Sie sind also wirklich überzeugt, daß
Lis Cordy nicht getötet hat«, sagte sie.
    »Wie ich schon sagte, wir können aus so
einem vieldeutigen Brief keine eindeutigen Schlüsse ziehen. Warum sollten wir
also nicht von unseren ursprünglichen Annahmen ausgehen?«
    Judy sah auf ihre Hände, die das
schwarze Cape ihrer Mutter fest umklammert hielten. Sie hatte es wieder vom
Boden aufgehoben und liebevoll zusammengefaltet, und jetzt schien sie es nicht
mehr loslassen zu wollen. »Lis ist tot«, sagte sie mit kleiner Stimme, »und nur
ganz wenige Menschen haben überhaupt jemals an ihre Unschuld geglaubt. Man kann
also den Inhalt ihres Briefes genausogut an die Presse weitergeben.«
    Adah Joslyn nickte entschlossen. »Wir
sagen einfach, es gibt neue Indizien, und erklären nicht eindeutig, wie wir an
sie gekommen sind.« Sie sah Judy streng an. »Ich weiß nicht, warum ich mir das
alles für Sie antue, aber Sie haben mit der McCone da eine starke Verbündete.«
Dann wandte sie sich an mich. »Wie ist denn jetzt der Stand der Dinge? Was
haben Sie seit unserem letzten Gespräch herausgefunden? Als reichte das hier
noch immer nicht...«
    Ich erzählte, was ich im Laufe des
Tages erfahren hatte. Als ich auf meinen Besuch bei ihren Eltern zu sprechen
kam, warf sie zur Abwechslung nun mir einen strengen Blick zu.
    »Sie haben Nerven, ihnen ohne Rücksprache
mit mir auf die Bude zu rücken«, bemerkte sie.
    »Ich habe es versucht. Aber Sie waren
nicht da. Sie sollten sich zumindest einen Anrufbeantworter zulegen.«
    »Den habe ich. Ich vergesse nur immer,
ihn einzuschalten. Hasse die verdammten Dinger. Was hatten Sie für einen
Eindruck von meinen alten Herrschaften?«
    »Sie haben mir gefallen. Aber ich
verstehe, warum es schwer sein dürfte, mit ihnen zusammenzuleben.«
    »Schwer« ist reichlich gelinde
ausgedrückt. Aber egal — dieser Verbindungsstrang zu den Kommunisten, glauben
Sie, der bringt was?«
    »Er ist es wert, verfolgt zu werden.«
Ich sah Judy an. »Was fällt Ihnen zum politischen Standort Ihrer leiblichen
Eltern ein?«
    »Sie haben eine strikt konservative
Linie auf seiten der Republikaner verfolgt, da bin ich sicher. Wer als
Intellektueller in den fünfziger Jahren zum militärisch-industriellen Komplex
gehörte, wäre verrückt gewesen, das nicht zu tun. Es gab schließlich kaum eine
Alternative. Man wurde auf Herz und Nieren durchleuchtet, und zwar nicht nur
als Institutsmitglied. Auch die Familie kam in die Sicherheitsprüfung.«
    »Dann gibt es da keinen Ansatz.« Ich
wandte mich an Adah Joslyn. »Könnten Sie mal bei den
Kreditsicherungsunternehmen NCIC und CJIS nachfragen, was sie über Roger Woods
wissen?«
    »Sicher. Aber da wird nicht viel zu
holen sein, und die Mühlen der Bürokratie mahlen verdammt langsam. Ich sehe
mal, ob ich ein bißchen Dampf machen kann.« Sie stand auf und nahm Lis’ Brief
in die Hand. »Den muß ich mitnehmen«, sagte sie zu Judy, »aber Sie bekommen ihn
zu gegebener Zeit wieder.«
    Judy lockerte ihren verkrampften Griff
um das Cape und streckte die Hand aus, als wolle sie Adah zurückhalten. Doch
dann zog sie sie wieder zurück und schüttelte den Kopf. »Nehmen Sie ihn.
Behalten Sie ihn.« An mich gewandt, fügte sie hinzu: »Ich habe gemeint, was ich
vorhin sagte — ich will ihn nicht mehr.«
     
    Um Mitternacht war ich im Bett,
erschöpft, aber wach. Ralph und Allie spürten meine Unruhe und schmiegten sich
an mich, und zwar so eng links und rechts, daß ich mir vorkam wie ein Buch
zwischen zwei samtigen Buchstützen. Meinem Haus war nichts Neues angetan
worden, und der Anrufbeantworter hatte nichts aufgezeichnet — nicht einmal eine
Nachricht von Hy, was mich ein wenig beunruhigte. Also lag ich angespannt da
und horchte auf verstohlene Geräusche von draußen oder das Läuten von Telefon
oder Türglocke. Und während die Stunden vergingen, ging mir Adah Joslyns Frage
immer wieder durch den Kopf: Sind Sie sicher, daß Sie nicht

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