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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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gefährlich nahe. Und der Hilfssheriff, der inzwischen 36 war, hatte sich zur Ruhe gesetzt. Er hatte jetzt jede Menge Zeit, und dieser Cowboy war immer noch auf der Suche nach dem kleinen Krüppel, der ihm seine Indianer-Jane ausgespannt hatte.
     

8  - Toter Hund; oder: Erinnerungen an Mao's
    Hinter dem »Anwesen« des berühmten Schriftstellers - wie es die Einheimischen in Putney (und auch der Vater des Autors) gern nannten - stieg die Hickory Ridge Road fast zwei Kilometer lang an, wobei die Straße den Bach überquerte, teilweise aber auch seinem Lauf folgte. Die sogenannte Nebenstraße von Putney nach Westminster West war ungeteert, und etwa auf halbem Wege zwischen Danny Angels Grundstück in Putney und dem Haus seines besten Freundes in Westminster West führte eine lange, steile Auffahrt zu einer hübschen Farm mit Pferden. Bei warmem Wetter - zwischen Mai, wenn er das Wasser in seinen Swimmingpool einließ, und Oktober, wenn er ihn winterfest machte - teilte Danny seinem Freund in Westminster West telefonisch mit, wann er zu einem Lauf aufbrach. Die Strecke war vier oder fünf Meilen lang, vielleicht auch sechs oder sieben; Danny war ein solcher Tagträumer, dass er nicht mehr darauf achtete, welche Strecken er beim Laufen zurücklegte.
    Offenbar konzentrierten sich die Tagträume des Schriftstellers auf die hübsche Farm am Ende der langen, steilen Auffahrt, denn dort wohnte eine ältere Frau mit schneeweißem Haar (und dem Körper einer Tänzerin von Mitte zwanzig). Vor einigen Jahren hatte Danny eine Liaison mit Barrett gehabt, so hieß die Frau. Sie war nicht verheiratet, auch damals nicht; die Beziehung der beiden hatte nichts Skandalöses gehabt. Und doch sah der Schriftsteller, etwa bei Meile zwei seiner Laufstrecke, in seiner Phantasie immer seine eigene Ermordung voraus, an der Stelle, wo Barretts steile Auffahrt in die Straße mündete. Er würde die Straße entlanggelaufen kommen, wäre gerade seit einem Sekundenbruchteil an besagter Auffahrt vorbei, wenn Barrett in ihrem Wagen im Leerlauf und bei ausgeschaltetem Motor den Hügel hinunterglitt. Wenn er schließlich hören würde, wie die Reifen den losen Schotter von der Straße aufwirbelten, wäre es für ihn bereits zu spät, sich vor dem nahezu lautlosen Auto in Sicherheit zu bringen.
    Ein spektakulärer Tod für einen Geschichtenerzähler, hatte sich Danny gedacht - ein Automobil als Mordwaffe, mit der Exgeliebten des berühmten Schriftstellers am Steuer!
    Dass Barrett nicht vorhatte, das Leben des Schriftstellers zu beenden, spielte keine Rolle; es wäre eine großartige Story gewesen. Im Übrigen hatte Barrett in ihrem Leben zahlreiche Affären gehabt und hegte (wie Danny glaubte) keinerlei Mordgedanken gegen ihre ehemaligen Geliebten. Der Autor bezweifelte, dass Barrett sich die Mühe machen würde, auch nur einen einzigen von ihnen zu überfahren. Sie konzentrierte sich voll und ganz auf die Pflege ihrer Pferde und die Erhaltung ihrer jugendlichen Figur.
    Wenn im Latchis in Brattleboro ein potentiell interessanter Film lief, lud Danny häufig Barrett ein, ihn ins Kino zu begleiten, und sie aßen dann im Avellino zu Abend. Dass Barrett vom Alter her viel eher zu Dannys Dad als zu Danny passte, war für den Koch ein Grund gewesen, seinem Sohn ins Gewissen zu reden. In letzter Zeit hielt Danny es häufig für nötig, seinem Vater in Erinnerung zu rufen, dass Barrett und er »nur Freunde« waren.
    Die ersten fünf oder sechs Meilen lief Danny mit einer Durchschnittszeit von sieben Minuten pro Meile, die letzte Meile schaffte er in sechs Minuten. Er war 41, hatte nie Verletzungen gehabt und war immer noch schlank; mit seinen ein Meter siebzig wog er knapp 66 Kilo. (Sein Dad war etwas kleiner und wirkte vielleicht durch das Hinken noch kleiner, als er war.) Weil gelegentlich ein bissiger Hund die Nebenstraße nach Westminster West unsicher machte, hatte Danny beim Laufen immer zwei abgesägte Squashschläger dabei - nur die Schaffe. Wenn ihn unterwegs ein Hund angriff, hielt Danny dem Hund jeweils einen Schaft vor die Nase, bis der Hund sich darin verbiss. Dann schlug er mit dem anderen abgesägten Schaft zu, meist auf die Schnauze.
    Danny spielte gar nicht Squash. Sein Freund in Westminster West war der Squashspieler. Wenn Armando DeSimone einen seiner Squashschläger zerbrach, gab er ihn Danny, der den Schlägerkopf absägte, Schaft und Griff aber behielt. Armando war im North End aufgewachsen, etwa ein Jahrzehnt bevor Danny und sein Dad

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