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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Sohns bis zu Carl, allerdings werden wir nie erfahren, ob er ihr Gespräch verstand.
    »Mit achtundfünfzig solltest du eigentlich verheiratet sein, Daniel. Du solltest mit deiner Frau zusammenleben, nicht mit deinem Vater«, sagte der Koch.
    »Und was ist mit dir, Paps? Würde dir eine Frau nicht auch guttun?«, fragte Danny.
    »Ich hatte meine Chancen, Daniel. Mit sechsundsiebzig würde ich mich vor einer Frau lächerlich machen - und mich ständig bei ihr entschuldigen!«, sagte Dominic.
    »Wieso
das
denn?«, fragte ihn Danny.
    »Gelegentliche Inkontinenz, vielleicht. Weil ich furze, auf jeden Fall - außerdem rede ich im Schlaf«, gestand der Koch seinem Sohn.
    »Du solltest dir eine Frau suchen, die schwerhörig ist - wie Ketchum«, schlug Danny vor. Beide mussten lachen; bestimmt hörte der Cowboy ihr Gelächter.
    »Ich habe das ernst gemeint, Daniel. Du solltest dir wenigstens eine Freundin suchen, eine richtige Gefährtin«, sagte Dominic, als sie nach oben gingen und an den Treppenabsatz im ersten Stock kamen. Noch vom zweiten Stock aus hörte Carl das charakteristische Hinken des Kochs auf der Treppe.
    »Ich habe Freundinnen«, wandte Danny ein.
    »Ich rede nicht von
Groupies,
Daniel.«
    »Ich habe keine Groupies, Paps, das ist vorbei.«
    »Dann halt junge weibliche Fans. Vergiss nicht, ich habe deine Fanpost gelesen...«
    »Solche Briefe beantworte ich nicht, Dad.«
    »Dann eben junge - wie heißen sie doch gleich? - >Lektoratsassistentinnen< vielleicht? Und junge Buchhändlerinnen, Daniel ... ich habe dich mit der einen oder anderen gesehen. Im Verlagswesen gibt es so viele
junge
Leute!«
    »Junge Frauen sind viel eher Singles«, gab Danny zu bedenken. »Die meisten Frauen meines Alters sind entweder verheiratet oder Witwen.«
    »Was hast du gegen Witwen?«, fragte sein Vater. (Daraufhin lachten beide wieder, diesmal kürzer.)
    »Ich suche keine feste Beziehung«, sagte Danny.
    »Das merke ich.
Warum
nicht?«, wollte Dominic wissen. Sie standen an verschiedenen Enden des Flurs im ersten Stock, jeder an seiner Schlafzimmertür. Sie sprachen laut; bestimmt hörte der Cowboy jedes Wort.
    »Ich hatte auch meine Chancen, Paps«, sagte Danny.
    »Ich will doch nur dein Bestes, Daniel«, antwortete der Koch.
    »Du warst ein guter Vater - der
beste«,
sagte Danny.
    »Du warst auch ein guter Vater, Daniel...« »Das hätte ich noch besser machen können«, warf Danny rasch ein.
    »Ich liebe dich!«, sagte Dominic.
    »Ich liebe dich auch, Dad. Gute Nacht.« Danny ging in sein Zimmer und machte leise die Tür zu.
    »Gute Nacht!«, rief der Koch aus dem Flur. Die guten Wünsche kamen von Herzen; man kann sich fast vorstellen, dass der Cowboy versucht war, ihnen ebenfalls eine gute Nacht zu wünschen. Doch Carl lag reglos über ihnen und gab keinen Mucks von sich.
    Wartete Carl noch eine volle Stunde, nachdem er gehört hatte, wie sie sich die Zähne putzten? Wahrscheinlich nicht. Träumte Danny wieder von der sturmgebeugten Kiefer auf Charlottes Insel in der Georgian Bay - genauer gesagt von dem Blick aus seinem früheren Schreibschuppen auf dieses zähe Bäumchen? Wahrscheinlich. Bat der Koch in seinen Gebeten um mehr Zeit? Wahrscheinlich nicht. Unter den gegebenen Umständen und so, wie Dominic Baciagalupo nun einmal war, bat der Koch wohl kaum um viel - sofern er überhaupt betete. Wenn es hoch kam, verlieh Dominic vielleicht seiner Hoffnung Ausdruck, dass sein einsamer Sohn »jemanden fand« - mehr nicht.
    Knarrten die Dielen über ihnen unter dem Gewicht des dicken Cowboys, als Carl endlich beschloss zu handeln? Sie hörten es jedenfalls nicht; oder falls Danny etwas hörte, bildete er sich im Schlaf vielleicht ein, Joe wäre aus Colorado nach Hause gekommen.
    Da der Cowboy nicht wusste, wie dunkel es nachts in dem Haus sein würde, hatte er die vom Schreibzimmer nach unten führende Treppe mit geschlossenen Augen ausprobiert. Er hatte auch gezählt, wie viele Schritte im Flur des ersten Stocks bis zum Schlafzimmer des Kochs führten. Und Carl wusste, wo der Lichtschalter war - direkt hinter der Tür, gleich neben der gusseisernen Pfanne.
    Wie sich herausstellte, ließ Danny immer ein Licht an - auf der Treppe von der Küche in den ersten Stock, so dass es im Flur recht hell war. Der Cowboy tappte auf seinen Socken leise durch den Gang zum Schlafzimmer des Kochs und öffnete die Tür. »Überraschung, Cookie!«, sagte Carl und knipste das Licht an. »Zeit zu sterben.«
    Vielleicht hörte Danny das, vielleicht

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