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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Station. Um den Oberkörper trug Danny ein Gurtgeschirr, und zwischen seinen Schulterblättern hing ein Ring mit einem Karabinerhaken, der das Zugseil mit dem Transportschlitten verband. Wenn er viel Müll nach Pointe au Baril Station schaffen oder größere Einkäufe machen musste, nahm Danny natürlich das Schneemobil oder das Polar-Propellerboot.
    Andy Grant hatte den Schriftsteller gewarnt, er brauche sein eigenes Schneemobil und ein Propellerboot. In den Wintermonaten konnte man meistens das Boot benutzen, es sei denn, die Temperatur kletterte über den Gefrierpunkt; dann klebte der Schnee manchmal am Rumpf und das Propellerboot glitt nicht mehr richtig über das schneebedeckte Eis. In diesem Fall kam das Schneemobil zum Einsatz. Doch wenn Danny Anfang Januar auf Charlottes Insel eintraf, war das Fahrwasser vor Pointe au Baril Station meist offen - und in der Seeenge namens Brignall Banks Narrows trieben häufig Eisschollen. Anfang Januar war das Polar-Propellerboot unverzichtbar und manchmal dann wieder ab Mitte März. (In manchen Jahren brach die Eisdecke in der Bucht schon sehr früh auf, doch das war eher selten.)
    Das Propellerboot glitt problemlos über Eis, Schnee und offenes Wasser - und sogar über im Wasser treibende Eisbrocken. Es schaffte 160 km/h, doch so schnell fuhr Danny nie damit. Angetrieben wurde das Boot von einem Flugzeugmotor und einem einzelnen, am Heck montierten Propeller. Es hatte auch eine beheizbare Kabine, und gegen den Lärm halfen Ohrenschützer. Als es darum ging, Turner Island während dieser zehn kältesten Winterwochen für Danny bewohnbar zu machen, war das Propellerboot die teuerste Neuanschaffung gewesen, doch Andy Grant und der Schriftsteller hatten sich die Kosten geteilt. Andy benutzte es für seine Arbeit, und zwar nicht nur im Dezember, wenn die Bucht allmählich zufror, sondern auch von Mitte März, bis das Eis endgültig verschwand - was meist Ende April der Fall war.
    Vor Beginn der Schlammperiode verließ Danny die Georgian Bay am liebsten wieder; wenn in der Bucht das Eis brach, war für ihn der Reiz dahin. (Um die Georgian Bay herum gab es fast keinen Schlamm - dazu war die Gegend zu felsig; doch für Daniel Baciagalupo war die Schlammperiode ebenso sehr ein Gemütszustand wie eine erkennbare Jahreszeit in Neuengland.)
    Da Charlottes Familie das Schlafzimmer im Haupthaus nur sporadisch als Gästezimmer nutzte, bewahrte Danny einen Teil seiner Winterkleidung das ganze Jahr dort im Schrank auf: die Stiefel, seinen wärmsten Parka, die Thermohose und seine Skimützen. Natürlich waren die Sommerutensilien von Charlotte und ihrer Familie überall - jeden Winter hingen neue Fotos an den Wänden -, aber Dannys Schreibschuppen ließ Charlotte unangetastet. Sie hatte nur ein paar Fotos von Ketchum mit dem Koch und zwei oder drei von Joe gefunden und im Schuppen aufgehängt - vielleicht damit sich Danny zu Hause fühlte, obwohl sie ihm auch so schon das Gefühl gab, auf der Insel herzlich willkommen zu sein.
    Charlottes französischer Mann war offensichtlich der Koch der Familie, denn er hinterlegte Danny immer Zettel zu allfälligen neuen Küchengeräten. Danny hinterließ ihm ebenfalls Zettel, und alle Jahre wieder tauschten sie Geschenke aus - Kleinigkeiten für die Küche und diverses Kochzubehör.
    Die erst kürzlich renovierten Schlafhütten - wo Charlotte, ihr Mann und die Kinder im Sommer übernachteten - waren für Danny im Winter selbstverständlich tabu. Diese Unterkünfte blieben verschlossen, Strom und Propan waren abgestellt und die Rohrleitungen geleert worden. Doch jeden Winter spähte Danny mindestens einmal durch die Fenster - auf einer privaten Familieninsel in der Shawanaga Bay waren Vorhänge überflüssig. Der Schriftsteller wollte nur einen Blick auf die neuen Fotos an den Wänden werfen und sehen, welche neuen Bücher und Spielzeuge die Kinder bekommen hatten; damit verletzte er doch sicher nicht ihre Privatsphäre, oder? Und aus dieser winterlichen und distanzierten Perspektive machte Charlottes Familie auf Danny Baciagalupo einen glücklichen Eindruck. Inzwischen hatten die Zettel, die er mit dem Regisseur austauschte, Charlottes immer spärlichere Anrufe von der Westküste fast ganz ersetzt, und im September verließ Danny immer noch Toronto, weil er wusste, dass Charlotte und ihr Mann dann zum Filmfestival in der Stadt waren.
    Ketchum hatte dem Schriftsteller geraten, auf dem Land zu leben. Für den alten Flößer war Danny kein Stadtmensch

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