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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Daniel gibt -«
    Carmella ließ ihn nicht ausreden. »Falls es schlechte Nachrichten über Daniel gibt, will ich sie zuerst erfahren - damit ich sie dir erzählen und dich in den Arm nehmen kann, so wie du mich damals im Arm gehalten hast«, sagte sie ihm. »Das ist verrückt, Carmella«, entgegnete er. Doch so war es nun einmal. Und das Telefon blieb auf Carmellas Seite des Bettes. Wenn Ketchum sich per R-Gespräch meldete, nahm Carmella jedes Mal den Anruf an. »Hallo, Mr. Ketchum. Wann lerne ich Sie endlich kennen?«, sagte sie dann gewöhnlich. Und: »Ich würde Sie sehr gern eines Tages kennenlernen.« (Ketchum war nicht sehr gesprächig, jedenfalls nicht ihr gegenüber. Sie reichte den Hörer immer gleich an Dominic weiter - an »Gamba«, wie sie ihn zärtlich nannte.)
    Doch in jenem Frühling im Jahr 1967, als deutlich wurde, wie trostlos Dannys Ehe war (diese furchtbare Frau, der liebe Junge hätte etwas Besseres verdient), und es mehr R-Gespräche als gewöhnlich aus dem hohen Norden gab (die meisten über den gefährlichen Polizisten), machte Ketchum Carmella zum ersten Mal Angst. Später dachte Dominic, dass Ketchum wahrscheinlich genau das beabsichtigt hatte. Als Carmella nämlich den alten Holzfäller mit dem üblichen Spruch am Telefon begrüßte - und den Hörer schon auf die andere Bettseite an Dominic weitergeben wollte -, sagte Ketchum plötzlich: »Ich weiß nicht, ob Sie mich
wirklich
kennenlernen wollen, denn die Umstände wären dann vermutlich nicht die besten.«
    Davon hatte Carmella eine richtige Gänsehaut bekommen. Sie war in jenem Frühling wegen der aktuellen Entwicklungen ohnehin schon genug durcheinander gewesen, und nun hatte Mr. Ketchum ihr Angst gemacht. Carmella wünschte, Danny wäre so erleichtert wie
sie,
dass Katie ihn verlassen hatte. Es war eine Sache, den Mann zu verlassen, mit dem man zusammen war - dafür hatte Carmella durchaus Verständnis -, doch als Mutter das eigene Kind zurückzulassen war eine Sünde. Carmella war erleichtert, dass Katie gegangen war, denn ihrer Ansicht nach wäre Katie ohnehin keine richtig gute Mutter gewesen, selbst wenn sie geblieben wäre. Natürlich hatten Carmella und Dominic Katie Callahan nie gemocht; beide hatten im Vicino di Napoli genug Kunden ihrer Sorte erlebt. »Sie ist wahrlich stinkreich«, hatte Carmella zum Koch gesagt.
    »Nein, sie ist nicht stink-, sondern abgrundtief reich«, hatte dieser erwidert. Damit meinte er, dass das Geld ihrer Familie für die wilde junge Frau als Sicherheitsnetz fungierte. Sie konnte sich alle möglichen Verrücktheiten leisten, weil das Geld sie notfalls auffing. Genau wie für Ketchum stand für Dominic fest, dass Katie Callahans sogenannter Freigeist ein Schwindel war. Danny hatte seinen Dad missverstanden; er dachte, der Koch könne Katie nur deshalb nicht leiden, weil sie Rosie so ähnlich sah, Dannys untreuer Mutter. Doch es lag nicht an Katies Aussehen, dass Dominic
und
Ketchum sie nicht mochten. Die beiden hatte von Anfang an das gestört, was an ihr
nicht
wie bei Rosie Calogero war.
    Katie war lediglich eine rebellische junge Frau mit einem Geldpolster im Hintergrund, »nichts weiter als ein sexueller Outlaw«, wie Ketchum sie genannt hatte. Rosie hingegen hatte sowohl einen Jüngling als auch einen Mann wirklich geliebt. Ihr Dilemma war gewesen, dass sie beide tatsächlich von Herzen geliebt hatte - folglich steckten beide auch in einem Dilemma. Verglichen damit war Katie Callahan nur eine Schlampe, die herumvögelte. Schlimmer noch, aufgrund ihrer vorgeblichen politischen Motive hatte Katie geglaubt, sie stünde über solchen Banalitäten wie Ehe und Mutterschaft.
    Carmella wusste, wie sehr Dominic darunter litt, dass Danny glaubte, seine Mutter sei eine genauso gesetzlose Kreatur wie Katie gewesen. Obwohl Dominic sich große Mühe gegeben hatte, Carmella die Dreiecksbeziehung mit Rosie und Ketchum zu erklären, musste sie zugeben, dass sie das genauso wenig verstand wie Danny. Carmella konnte nachvollziehen, wie es zu so etwas kommen konnte, aber nicht, weshalb die drei dem kein Ende gesetzt hatten. Das verstand Danny auch nicht. Außerdem nahm Carmella ihrem lieben Gamba übel, dass er dem Jungen das mit seiner Mutter nicht früher erzählt hatte. Danny war schon längst alt genug, um diese Geschichte zu erfahren, und es wäre besser gewesen, wenn sein Dad sie ihm vor jenem Telefonat mit Mr. Ketchum erzählt hätte, in dem die Katze endlich aus dem Sack gelassen wurde.
    An dem Morgen, als

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