Letzte Nacht
anhalten. «Okay, jetzt wieder zurück.
Okay. Stellen Sie jetzt das Lenkrad gerade. In Ordnung, versuchen wir’s.»
Manny stemmt sich gegen den Kofferraum des Olds, während der Trainer ganz langsam vorwärtsfährt. Seine Arbeitsschuhe haben kein Profil und rutschen weg, also gräbt er mit den Seiten der Absätze so etwas wie Startblö cke in den Schnee. Inzwischen haben die durchdrehenden Reifen einen kleinen Eishügel geformt, den sie überwinden müssen. Inmitten des Streusalzes kann Manny ein bisschen Druck entwickeln, der Trainer tritt ganz behutsam aufs Gaspedal, sie haben fast genug Schwung, doch im letzten Moment rollt der Wagen wieder zurück, und der Trainer gibt unwillkürlich Vollgas, schießt zwei Strahlen Schneematsch an Manny vorbei und schwingt mit dem Heck zur Seite. Beim nächsten Versuch läuft es genauso. «Moment», sagt Manny und hält die Hand hoch, aber der Trainer kann ihn nicht hören und gibt wieder Gas. Er macht alles bloß noch schlimmer.
«Jetzt mal mit Anlauf», sagt Manny, denn eine der Mulden ist gut dreißig Zentimeter lang, und das Streusalz scheint langsam zu wirken.
Der Trainer lässt den Wagen zurückrollen, würgt den Vorwärtsgang rein, rollt wieder zurück und überwindet beinahe die Rückseite der Mulde, schaukelt wieder vorwärts, die Reifen greifen auf dem Asphalt und haben jetzt Bodenhaftung, Manny schiebt mit der Schulter am Kofferraum, die Rücklichter flammend rot in seinem Gesicht, und stößt sich schließlich kraftlos von der Stoß stange ab, während der Olds es schafft freizukommen, und plötzlich hat Manny nichts mehr, woran er sich festhalten kann, und liegt auf allen vieren im Schneematsch.
Fluchend stemmt er sich hoch, Ärmel und Hose klatschnass. Mr. K. hat Angst, nochmal stecken zu bleiben, und fährt einfach weiter, er hupt bloß, biegt am Ende der Wagenreihe ab, rollt am Stoppschild vorbei auf die geräumte Zufahrtsstraße und ist verschwunden.
«Oh Mann», sagt Manny und streckt die Arme aus, um sich den Schaden anzusehen. Seine Krawatte ist ruiniert, er ist nass und friert, aber er hat auch das Gefühl, als hätte er etwas erreicht, als hätte er dem Trainer etwas zurückgeben können. Der Schnee fällt sanft – Charlie Brown-Schnee –, und es geht fast kein Wind. Vielleicht ist das nur die Ruhe vor dem Sturm, aber während er die Hände schüttelt, damit sie wieder warm werden, denkt er, dass es für einen Schneesturm zu schön ist.
Drinnen wäscht er sich in der Herrentoilette, spült seine Krawatte ab und hebt die Knie wie ein Tambourmajor, damit der Händetrockner seine Hose trocknen kann.
Er wischt die Waschbecken mit Toilettenpapier sauber, lässt ein Knäuel in den Müll fallen und wäscht sich die Hände. Eine knappe Minute später hebt er am Tisch des kleinen Jungen eine widerspenstige Fritte vom Fußboden auf und muss sich die Hände nochmal waschen, und dann nochmal, nachdem er eine Getränke‐und‐Dessert‐Karte abgewischt hat, die von der großen Gruppe irgendwie mit Remouladensoße beschmiert wurde.
Der Mittag ist erst mal unter Kontrolle. Die große Gruppe ist endlich leise, damit beschäftigt, das Hauptgericht zu essen. Der kleine Junge sitzt still und verschlingt Popcorn Shrimps. Es ist Viertel nach eins, der Schnee hält die Leute fern. Es ist der letzte Tag, und trotzdem macht er sich Sorgen über die Anzahl der Gäste; wegen der Feiertage hatte er sich ein volles Haus erhofft, bloß um es dem Konzern unter die Nase reiben zu können. Kendra führt die Nachzügler zu ihren Nischen, und weil sie dann nichts mehr zu tun hat, gibt sie klein bei und räumt Roz’ letzten Vierertisch ab. Die Küche hinkt nicht mehr hinterher; Ty hat Eddie und Leron schon wieder zum Geschirr geschickt. Fredo räumt auf, Rich macht den Backtisch sauber. Manny spürt, dass er ein bisschen Zeit hat, und versucht die Schneeräumer anzurufen, erreicht wieder nur den Anrufbeantworter und hinterlässt eine zweite Nachricht, überprüft dann, ob seine Krawatte schon trocken ist – ist sie nicht –, schleicht mürrisch um die Bar herum und sieht sich zusammen mit Dom an, wie der Sturm weiß‐rosa über beide Bildschirme fegt.
Jacquie ertappt ihn dabei, wie er Erdnüsse isst – sie wollte immer, dass er das einschränkt –, und er lässt alles, was er noch in der Hand hat, auf eine Serviette fallen, als wäre er fertig.
«Haben wir noch welche von den Leuchtturmglä sern?»
«Wie viele brauchst du?»
«Es geht um ein ganz Spezielles, Nummer
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