Letzte Nacht
wartet, während die Ansage abgespielt wird, und betrachtet den geschwungenen, muskulösen Körper des Schwertfischs, sein aufgesperrtes Maul und die Zähne, die in der speerförmigen Schnauze enttäuschend harmlos aussehen. Irgendwo unter dem Staub und Schellack muss sich mal ein echter Fisch befunden haben. Wie lange ist das wohl her? Er kann ihn geradezu schwimmen, durch swimmingpoolblaues Wasser schnellen sehen, in den letzten Augenblicken, bevor er an Bord gezogen wird.
Der Piepton.
«Hier spricht Manny vom Red Lobster. Es ist zwölf Uhr fünfunddreißig, ich brauche hier einen Schneepflug.
Danke.»
Kendra hat Mitgefühl – oder bekrittelt sie seine Unfähigkeit? – und schüttelt den Kopf, während er sich ins Foyer drängt und die Tüte Streusalz schnappt.
«Hey», sagt er durch die offene Tür, «könntest du abräumen helfen, wenn du Zeit hast?»
«Wenn ich Zeit hab.»
«Ich sorge dafür, dass du deinen Anteil am Trinkgeld bekommst.»
Sie lacht, bloß ein Prusten, als würde das sowieso nicht klappen – denn dieses Thema ist ein ewiger Streitpunkt.
Draußen dringt der Wind durch Mannys dünnes Hemd, zarte Flocken verfangen sich in seinen Wimpern.
Die matschigen Schemen von Fußabdrücken schimmern durch die frische Schneedecke. Es ist merklich wärmer geworden, der Schnee schwer wie feuchter Kuchen, die Kristalle kleben im Fallen zusammen. Wahrscheinlich sollte er die Schneefräse rausholen, doch er sät erst mal Hände voll Streusalz aus, eine Notlösung, damit sich nach dem Mittagessen niemand die Hüfte bricht. Auf der anderen Seite des Parkplatzes streift ein großes Räumfahrzeug zwischen den Parkreihen hindurch, die Schaufel schabt bis runter auf den Asphalt, und das gelbe Licht dreht sich. Der Wagen piept beim Zurücksetzen und kämpft sich dann wieder vorwärts, das Geräusch des Dieselmotors ist ob der Entfernung und durch den nebelartigen Schneeschleier gedämpft, das Einkaufszentrum kaum zu erkennen, ein dunkler Block, an dessen Ecken Scheinwerfer brennen, wie bei einer Festung oder einem Gefängnis. Er stapft bis zum Ende des einen Gebäudeflügels, wo abgeschieden die Wagen von Dom und Roz stehen, arbeitet sich zum Lobster zurück, und zu seiner Überraschung findet er plötzlich die trügerische Bewegung der durch die Eingangstür blitzenden bunten Lichterkette, die erleuchteten Fenster und die kerzenbeschienenen Gesichter der Essenden wunderschön, als wäre er immer noch bekifft. Er hält kurz inne, um den Anblick zu genießen, und hört in der Stille in einiger Entfernung das verzweifelte Aufheulen eines Wagens, dessen Räder durchdrehen. Im Sturmlicht wirkt das Restaurant warm, lebendig und freundlich, wie ein Ort, wo jeder gern hingehen würde. Es sieht aus wie ein Gemälde, und er ist stolz, als wäre das sein Werk, und in gewisser Hinsicht stimmt das auch, nur dass es aus ist, wie bei ihm und Jacquie, verloren, für immer vorbei. Hängt er deshalb so sehr an dem Laden?
Dieser Abend bleibt ihm noch, denkt er.
Dieser Tag bleibt ihm noch. Er hat immer noch keinen Schimmer, was er Deena kaufen soll, denkt aber, dass er’s inzwischen wirklich wissen müsste. Er sollte sich besser bald was einfallen lassen. Er weiß aus jüngster Erfahrung, dass es nichts Schlimmeres gibt als ein Geschenk aus schlechtem Gewissen.
Die Tüte ist leer, bevor er mit der Fläche zwischen den Behindertenparkplätzen fertig ist – das kann er nicht einfach so lassen. Er folgt seinen bereits verschwindenden Spuren den Weg entlang und öffnet die Tür. Beim Betreten des Foyers umfangen ihn die Wärme, der Lärm und die Hintergrundmusik. In der Küche ist es noch lauter, denn der Grill brutzelt, das Radio dröhnt und die Geschirrspülmaschine läuft. «Wo ist die Salsa für das Aztekenhähnchen?», brüllt Ty Leron an, während Manny eine neue Tüte aus dem Lagerraum schleppt und am Eiswürfelbereiter und an der Schneefräse unter ihrer staubigen Plane vorbeigeht. «Verdammt nochmal, Frito, wo sind meine Linguini?»
Fredo rennt zu ihm, rutscht aber mit dem Turnschuh an einer nassen Stelle aus, stürzt schwer und lässt den Topf fallen, der auf den Boden knallt und umkippt, und die Linguini ergießen sich über die Fliesen.
Ty stößt mit der Zange in seine Richtung. «Warum tust du mir so was an? Sag mir einfach, warum.»
«Alles in Ordnung?», fragt Manny und hilft Fredo auf.
«Das funktioniert so nicht», sagt Ty.
Roz und Jacquie kommen reingestürmt, um die Vorspeisen abzuholen, die aber noch
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