Letzte Nacht
er gibt ihr nur die Kontaktinfo für den Regionalleiter und entschuldigt sich, um sie endlich zur Tür hinauszubekommen. Lächelnd lässt er sich vor aller Augen runterputzen, und auch wenn das sonst niemand versteht, Manny versteht es: Wie bei seiner Auseinandersetzung mit Ty ist das eben der Preis, den er als Chef zahlen muss.
Der nasse Teppich stinkt wie ein penetranter Käse. Er sprüht die Stelle mit Desinfektionsmittel ein und steht dann ein paar Minuten am Waschbecken und wäscht sich die Hände. Wenn die Schweinerei trocken ist, saugt er alles ab, aber nicht im Beisein der Gäste. Es geht darum, dass wieder Ruhe einkehrt, damit sie die Sache vergessen.
Im richtigen Leben unmöglich, aber hier klappt es perfekt. Als der Junge und seine Mutter weg sind, geht ein ansteckendes Gelächter durch den Raum, als hätten alle, auch die Großmütter, es zurückgehalten, und die Leute johlen und schlagen so fest auf die Tischplatte, dass ihr Besteck scheppert.
Auch Manny muss laut loslachen. Die große Gruppe ist fertig, und Jacquie und Roz können beim Ausstellen der Rechnungen Hilfe gebrauchen. Er gibt alles auf dem Kassenmonitor ein, zieht Kreditkarten durch den Leseschlitz und druckt Kassenzettel aus. Das System ist brandneu, auch das eine idiotische Anschaffung des Konzerns. Ihm gefällt, wie schnell und glatt sich damit alles abwickeln lässt, das Gefühl, etwas vollendet, ein Geschäft abgeschlossen zu haben, das Geld in der Kasse, als wäre es irgendwie sein Verdienst. Als stellvertretender Geschäftsführer im Olive Garden wird das in seiner Schicht eingenommene Geld bloß in einem größeren Topf landen, und obwohl ihm klar ist, wie egoistisch das klingt, weil er immer Teamwork gepredigt hat, betrachtet er diesen Umstand als Verlust.
Als die Mitglieder der Gruppe einer nach dem anderen rausgehen, platziert sich Manny protokollgemäß am Empfangspult und bedankt sich, er und Kendra, die hinter ihm steht wie eine Braut und alle ermahnt, vorsichtig zu fahren, haben Aufstellung genommen wie eine Art Empfangskomitee. Der Chef mit der Fliege schüttelt ihm die Hand. «Danke, dass Sie uns so kurzfristig unterbringen konnten.»
«Kein Problem. Danke, dass Sie sich für Red Lobster entschieden haben.»
Inzwischen sagt er das, ohne zu überlegen, aber was bedeutet es? Wer, außer den Leuten, die hier arbeiten, denkt schon über Red Lobster nach? Und auch die denken eigentlich nicht drüber nach. Vielleicht Eddie, der bestimmt froh ist, einen Ort zu haben, wo er jeden Tag hinkommen kann, oder Kendra, die darüber nicht immer froh ist, aber Manny kann sich nicht vorstellen, dass Rich oder Leron viele Gedanken auf so etwas Unwichtiges wie einen Job verschwenden. Vielleicht hat auch Manny nicht genug drüber nachgedacht, denn all die Jahre fand er es selbstverständlich, dass es das Lobster gab. In der Hinsicht ist er wohl genau wie Eddie. Und jetzt ist es zu spät.
Wie bei ihrer Ankunft versammelt sich die Gruppe unter dem Schwertfisch, der Schnee draußen ein Hemmnis. Einer nach dem anderen holen sie ihre Jacken von der Garderobe (eine Frau hat seltsamerweise einen Regenschirm dabei) und knöpfen sie zu, bevor sie dem Sturm die Stirn bieten, dann gehen sie in mehreren Wellen, aneinandergelehnt, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, und wieder fragt sich Manny, wie es wohl wäre, dort in dieser Firma zu arbeiten – oder irgendwo anders, denn es ist klar, dass er nicht sein ganzes Leben damit vergeuden kann, für Darden Restaurants, Incorporated, tätig zu sein.
Als die Letzten gegangen sind, sieht er etwas neben dem Aquarium auf dem Boden liegen, eine alte cremerosa gestreifte Glaskugel, zerbrochen wie ein Vogelei, und die größte Scherbe zeigt ihr silbern glänzendes Inneres. So eine Kugel hätte am Baum seiner Oma hängen können. Wahrscheinlich hat sie jemand gestreift, ohne zu hören, dass sie auf den Teppich fiel. Die Ironie lässt Manny keine Ruhe: etwas so Zerbrechliches, das schon so viele Weihnachtsfeste überstanden hat; noch ein Tag, und die Kugel hätte es geschafft. Aber vielleicht quält ihn auch, wie rührselig er langsam wird, dass er in jeder Kleinigkeit sein eigenes Schicksal sieht, als wäre er hilflos. Er schnappt sich die Kehrmaschine neben dem Empfangspult, lässt sie über die Scherben gleiten, bis alle verschwunden sind, und klopft die Maschine dann in der Küche am Rand des Abfalleimers aus.
«Immer sachte, Chef», sagt Ty. «Wenn du das Ding kaputtmachst, musst du’s bezahlen.» Er
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