Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Letzte Nacht

Letzte Nacht

Titel: Letzte Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
Vom Netzwerk:
sitzt auf einem Hocker am Ende des Grills und blättert im Courant, während Rich in Gummihandschuhen am Ausgang der Geschirrspülmaschine steht, kochend heiße Teller aus den Körben nimmt und sie in Geschirrwagen stapelt.
    «Seid ihr fertig mit dem Mittagessen?»
    Ty breitet die Arme aus, um ihm die blitzsaubere Kü chentheke zu zeigen.
    «Was nehmen wir heute Abend als Special?».
    «Was übrig ist.»
    «Nimm Hummerschwänze», sagt Manny, in der Hoffnung, noch ein paar loszuwerden. «Und was gibt’s für uns zu Mittag?»
    «Was du kochst», sagt Ty, aber Manny geht auf den Witz nicht ein. «Was die Leute haben wollen. Ich hab noch Krabbenbeine – falls wir die nicht für heute Abend aufheben.»

    «Ich muss ins Einkaufszentrum, aber bitte sorge dafür, dass alle was kriegen.» Das ist auf Roz gemünzt, die Kaffee trinkt, statt etwas zu essen. Auch bei halbem Preis ist das Essen nicht günstig. Manchmal muss ein Geschäftsführer nach eigenem Ermessen handeln. «Und sag allen, dass es heute aufs Haus geht.»
    «Klasse», sagt Rich und hält den behandschuhten Daumen hoch.
    «Du willst mir bestimmt für die Zeit deiner Abwesenheit die Verantwortung übertragen?», fragt Ty.
    «Wem sonst?»
    «Ich übernehme die Verantwortung», sagt Eddie. «Ich geb allen eine Gehaltserhöhung.»
    «Okay, Guapo», willigt Manny ein, «du hast die Verantwortung.»
    Vorn lassen die Großmütter sich Zeit, bitten Nicolette, ihnen Kaffee nachzuschenken, und merken gar nicht, dass sie die einzigen Gäste sind. Oder vielleicht haben sie auch bloß Angst rauszugehen; der Schnee treibt gegen die Betonfüße der Bänke oder wird von den Windböen in Schlangenlinien über den Parkplatz gewirbelt. Dom sagt sechzig Zentimeter für den hiesigen Abschnitt der 84  voraus, noch mehr in den Hügeln im Westen.
    «Da sind wir wohl ganz schön angeschmiert», sagt er,  «wenn wir’s nicht vorher schon waren.»
    «Wenn die Leute nicht fahren können», folgert Manny,  «müssen sie irgendwo Halt machen.»
    «Nicht wenn sie gar nicht erst losfahren.»
    Manny deutet auf die Fenster. «Es ist nicht mal drei Uhr.»
    «Und bis wann willst du warten, ehe du das Abendessen abbläst?»

    «Was denn, hast du eine Verabredung, oder was?», fragt Manny und sagt dann willkürlich: «Halb fünf.»
    Kendra ist unruhig, und Nicolette ist frustriert über die Großmütter, die jetzt probieren, ihre Rechnungen mit abgelaufenen Ermäßigungsgutscheinen zu begleichen. Da sonst niemand mehr da ist, kann Manny hören, wie Nicolette auf der anderen Seite des Raums in herrischem Ton mit ihnen spricht. «Tut mir leid, Ma’am, selbst wenn der Gutschein noch gültig wäre, gilt das Angebot nur für ein Gericht pro Tisch, nicht für zwei.» Logisch betrachtet hat Nicolette recht, doch die Großmütter lassen sich nicht unterkriegen. Als die Lautstärke zunimmt, muss Manny einschreiten.
    Die Großmütter beharren darauf, sie seien zwei verschiedene Tische, weil sie getrennte Rechnungen verlangt hätten, und der Gutschein sei gerade erst abgelaufen. Nicolette reicht ihm den Gutschein, als wäre er voller Milzbrand‐Bakterien. Die Gültigkeitsdauer endete letzten Samstag, noch nicht lange her, aber während er dasteht, sieht er, dass der Keramikständer, der voller Zucker‐ und Süßstofftütchen sein müsste, völlig leer geräumt wurde –  immer eine Gefahr bei diesen alten Schachteln, die dank ihrer Erinnerungen an die Weltwirtschaftskrise nicht nur sparsam, sondern habgierig sind. Eigentlich könnte ihm das egal sein, weil alles, was in keinem verschlossenen Karton steckt, wahrscheinlich weggeworfen wird, aber jetzt fühlt er sich doppelt getäuscht.
    «Ein Tisch, ein Gericht», entscheidet er und unterbricht ihre Argumentation mit erhobenem Finger. «Und das tu ich nur, weil Weihnachten ist.»
    «Hier esse ich nie wieder», sagt eine der beiden.
    «Dabei sollte das doch ein nettes Restaurant sein.»

    «Tut mir leid, wenn Sie das so sehen», sagt Manny.
    «Wenn Sie wollen, können Sie eine Beurteilungskarte ausfüllen.»
    An der Servicetheke sagt Nicolette, er hätte ihnen nichts erlassen sollen. «Ich wette um einen Zwanziger, dass sie mir kein Trinkgeld geben.»
    «Da brauchen wir nicht zu wetten», sagt Manny, doch er hat Unrecht. Die Großmütter lassen Nicolette einen einzigen Penny da – einen Penny, mit dem Nicolette zur Eingangstür rennt, um ihn ihnen in den Sturm hinterherzuwerfen. «Verdammte alte Schachteln, hoffentlich baut ihr einen Unfall!»
    Sie

Weitere Kostenlose Bücher