Letzte Nacht
nicht, also wäscht Leron das Geschirr eigenhändig im großen Spülbecken, und Rich trocknet für ihn ab. Manny nervt sie nicht mit der Mindestspültemperatur; wo das Geschirr auch hinkommt, es muss sowieso neu gespült werden.
Die alten Leute wollen kein Dessert, das ist keine Überraschung. Ohne Kasse zum Ausdrucken der Rechnung muss Jacquie das Ganze auf einen Zettel schreiben.
Manny zählt alles zusammen, kramt einen Taschenrechner aus der Schublade am Empfangspult, um die Steuer auszurechnen, und der Mann reicht Jacquie seine American Express‐Karte.
Manny muss fragen, ob er Bargeld hat.
«Ich hab welches», sagt der Mann, «aber das würde ich lieber behalten. Schließlich müssen wir noch bis nach Springfield kommen.»
Die großzügige Lösung bestünde darin, dass sie die Kreditkartennummer des Mannes notieren, ihn die Rechnung unterschreiben lassen und seine Unterschrift kopieren, wenn sie wieder Strom haben. Das wäre ganz einfach, aber der Tag war schon so verrückt, dass Manny es überflüssig kompliziert findet, besonders weil die beiden die einzigen Gäste sind, und aus Ungeduld trifft er kurzerhand eine Entscheidung. Vielleicht macht es sich auf der Abrechnung nicht so gut, besonders nach den geringen Tageseinnahmen und dem kostenlosen Abendessen fürs Personal, aber er findet es richtig, dass ihr letztes Essen aufs Haus gehen sollte.
Erst ziert sich der Ehemann, doch dann löst das Angebot die überschwängliche Dankbarkeit und den Händedruck aus, den sich Manny schon vorher gewünscht hatte.
«Wissen Sie», sagt der Mann und gibt Jacquie ein groß zügiges Trinkgeld, «das ist das Beste, was uns den ganzen Tag passiert ist, und es war ein langer Tag.»
«Hätte ich doch bloß ein Dessert bestellt», sagt die Frau.
Manny kann die beiden im Dunkeln nicht allein den matschigen Weg entlangtappen lassen und bittet Jacquie um Hilfe. Er hält es für keine so gute Idee, dass sie noch fahren wollen, doch der Mann hat es sich in den Kopf gesetzt und sagt, dass sie’s bis hierher ja auch geschafft hätten. Es seien nur noch ungefähr sechzig Kilometer. Es gehe zwar nur langsam voran, doch die Straßen seien frei.
Draußen ist das Einkaufszentrum nicht mehr zu sehen, die einzigen Lichter sind die der auf dem Highway vorbeifahrenden Autos. Die Schneepflüge sind unterwegs, aber trotzdem ist Manny froh, dass die beiden den Lincoln mit seiner wuchtigen Motorhaube haben. Er und Jacquie helfen ihnen beim Einsteigen, stehen dann im Licht der Scheinwerfer und winken zum Abschied wie Verwandte. Manny befürchtet, dass sie an der Ampel falsch abbiegen, aber nein, sie fahren nach rechts zur 9.
Er sieht, dass Jacquie ihn anschaut. «Was ist los?»
«Wie meinst du das?», fragt er.
«Du bist schon den ganzen Tag so seltsam.»
«Es war ein seltsamer Tag.»
«Ich meine, mir gegenüber. Erst willst du, dass ich mit dir in den Olive Garden komme, und dann sprichst du den ganzen Tag keine fünf Worte mit mir. Bist du wütend auf mich, oder was? Ich hab nämlich nichts getan. Haben wir nicht gesagt, dass es so am besten ist? Für mich und für dich. Für alle. Stimmt’ s?»
Plötzlich spürt er deutlich die Zales‐Schatulle in seiner Tasche. Er könnte sich in den Schnee knien und ihr Deenas Ohrringe schenken, ohne dass es etwas ändern würde – warum findet er es dann so verlockend? Weil er nicht weiß, was er sagen soll. So eine große Geste, auch wenn’s nicht die richtige ist, fiele ihm leichter, als sich zu erklären.
«Nicht für alle», sagt er.
Sie schlägt ihm mit dem Handrücken gegen die Brust, aber nicht im Spaß. «Du hast versprochen, das sein zu lassen, also lass es, okay?»
«Ich weiß bloß nicht, was ich machen soll.»
«Das, was alle machen.»
«Und das wäre?»
«Du kümmerst dich um dein Baby und heiratest und kaufst irgendwo ein Haus.»
«Ach, ich weiß nicht.»
«Genau das wirst du tun, denn dann bist du glücklich, jedes Wochenende den Rasen mähen und dafür sorgen, dass alles perfekt ist. Ich kenn dich doch, Manny. Das ist das, was du willst.»
«Wir hätten das tun können.» Das ist unfair von ihm. So will er sich nicht verabschieden.
Jacquie schüttelt nur den Kopf, und die Hoffnung, dass sie mit ihm Zusammensein will, kommt ihm dumm vor – als hätte er die ganze Zeit nicht kapiert, was allen anderen von Anfang an klar war.
«Komm schon», sagt sie und versucht ihn zu beruhigen.
«Weißt du noch, wie wir mal in dem Park waren und, als wir im Bach gewatet sind,
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