Letzte Nacht
er könne sie am Arsch lecken, während direkt neben ihr Gäste standen.
«Die war echt bösartig», sagt Ty.
«Du hattest ja nichts mit ihr zu tun», sagt Jacquie.
«Wisst ihr noch, wie sie bei Nicolette mal auf einen Schlag drei Tische besetzt hat ...?»
«Während es bei Le Ly völlig leer war», sagt Roz.
«Bei der weiß ich auch nicht, warum du sie eingestellt hast», sagt Ty.
Und das bringt sie auf Joe, der nur Bratkartoffeln aß und den Mixer kaputt machte, indem er die Rührschaufel verklemmte, auf Danny, der seinen grau grundierten Integra immer neben Tys Supra parkte, auf Marisol, die schwanger wurde und sich ins Handwaschbecken übergab, und auf Kaylie, die Sängerin in einer irischen Band war, die sie sich alle mal an einem Freitag nach Feierabend stockbetrunken angesehen haben. Roz kann sich noch an die Zeit erinnern, als sie ein eigenes Softballteam hatten und auf einem Abschnitt vom Highway 9 immer freiwillig den Müll einsammelten, und obwohl Manny damals schon hier gearbeitet hat, kommt es ihm vor, als würden sie über ein ganz anderes Restaurant reden. Es war eine andere Atmosphäre, nicht bloß wegen Jacquie. Er war die ganze Zeit lang Geschäftsführer, und doch weiß er nicht, wie es so weit hatte kommen können. Ihre Zahlen waren gar nicht so schlecht.
Ramon R, der sich auf dem Kopf drehen konnte, Frankie mit seinen Gewichten an Hand‐ und Fußgelenken, Des, Santos, Michelle und J. T. Der Tag, an dem der Eiswürfelbereiter kaputtging und den Lagerraum überschwemmte. Der Mann, der, obwohl er noch gar nicht so alt war, in der Toilette einen Herzinfarkt hatte.
«Danke», sagt Manny, «den hätte ich fast vergessen.»
Ein Handy klingelt – nicht seins, sondern der polternde Missy‐Klingelton von «Get Ur Freak On»: Jacquies. Sie verlässt die Bar, um ranzugehen, und er denkt, es muss Rodney sein. Manny schuldet Deena noch einen Anruf – sie müssen über morgen sprechen. Er sollte einfach zumachen und alle nach Hause schicken. Stattdessen sitzt er im Dunkeln herum, lauscht seiner eigenen Vergangenheit und wartet darauf, dass Jacquie zurückkommt, aber als sie wiederkommt, setzt sie sich wortlos hin, und die Zeiten, als er sie fragen konnte, wer dran war, sind endgültig vorbei.
Unbewusst zieht er sein eigenes Handy hervor, um zu sehen, ob er irgendwelche Nachrichten hat. Als er es aufklappt, geht über dem Tisch das Licht an, und sie halten sich die Hände vor die Augen wie Vampire.
Blinzelnd warten sie, als könnte es gleich wieder ausgehen. Im Fernsehen wird wieder geredet, das Aquarium plätschert, die bunte Lichterkette blinkt. Das Einzige, was fehlt, ist die Musik. Manny steht auf und geht zum Eingang. Der Weg ist rot glasiert, sanft fallen rote Flocken herab. Das Einkaufszentrum und die Ampel sind wieder zu sehen, und als er die leere Küche durchquert und sich auf die Laderampe stellt, sieht er ihr Neonschild neben dem Highway leuchten.
«Sieht aus, als könnten wir wieder loslegen», verkündet er und versucht, seine Aufregung zu verbergen.
Die Gruppe löst sich auf, und alle schlurfen zu ihren Posten zurück, als wären schon neue Gäste unterwegs, und plötzlich fehlt es Manny, mit den anderen zusammen im Dunkeln zu sitzen. Er dreht die Musik wieder an, übernimmt das Empfangspult und wartet. Es ist seltsam, als Einziger vorn zu sein, aber vielleicht ist er am Ende der langen Doppelschicht auch bloß müde. Jacquie hat nicht gefragt, ob sie früher gehen kann, das ist schon mal gut. Er überprüft sein Handy: keine neuen Nachrichten.
Allen Platzanweiserinnen hat er eingebläut, immer das Handy auszuschalten; jetzt missachtet er seine eigenen Richtlinien und schaut vom Eingang hinaus auf die Straße, bevor er wählt.
«Hey Babe», sagt Deena bei laufendem Fernseher.
Wahrscheinlich liegt sie schon im Bett. In letzter Zeit geht sie immer früher ins Bett und wirft sich die ganze Nacht hin und her, bis er wach wird. Auch deshalb hat er in seiner Wohnung übernachtet.
«Du hast mich angerufen?»
«Wollte bloß mal hören, was mit morgen ist.»
«Von elf bis zwei muss ich hier sein.»
Im Hintergrund reden mehrere Stimmen durcheinander. Sie lacht, und dann herrscht Schweigen, als würde sie ihm nicht mehr zuhören.
«Was siehst du dir gerade an?»
«Den Film mit Bill Murray, wo er diesen Geizkragen spielt.»
«Die Geister, die ich rief», sagt Manny.
«Der ist ziemlich witzig», sagt sie, als hätte sie das gar nicht erwartet. «Und um wieviel Uhr kommst
Weitere Kostenlose Bücher