Letzte Nacht
lauter so Fische gesehen haben?»
«Ja.»
«Das war das, was ich wollte. Und wir waren glücklich.
Wir hatten das doch.»
«Ich will es immer noch.»
«Meinst du, ich nicht? Ich würde das unheimlich gern mit dir haben, Manny, aber es geht nicht. Und wir wissen beide, dass es nicht richtig ist.»
Rodney, meint sie, und jetzt Deena und das Baby. Ihr Leben und seins, die Schwierigkeiten, die er bequemerweise vergisst. Er hat immer gewusst, dass es falsch war, und doch würde er ihr gern widersprechen – die Dinge ändern sich, sie können alles tun, was sie wollen –, aber er weiß, dass sie dann auf ihn wütend wird, als würde er nicht begreifen. Vielleicht ist er bloß störrisch. Sie waren sich einig, dass es so am einfachsten wäre; manchmal hatte er ein schlechtes Gewissen, weil es so praktisch ist, eine saubere Trennung. Jetzt weiß er nicht mal mehr, was das heißt.
«Du gibst mir zu viel zu denken», sagt er und zuckt mit den Schultern. «Das mag ich an dir.»
«Keine Ahnung, warum», sagt Jacquie.
«Ich auch nicht.» Aber das sagt er nicht bloß. Es stimmt: Er weiß immer noch nicht genau, was passiert ist. Er fand sie schon schön, klug und witzig, als er sie nicht mal kannte.
Sie dreht sich um, das Zeichen für ihn, sich auch umzudrehen. Er würde gern ein paar Abschiedsworte sagen, hier draußen im Dunkeln, bevor sie wieder zu den anderen gehen – «Ich liebe dich» oder etwas ähnlich Nutzloses –, aber sie ist schon auf dem Weg zur Tür und entflieht ihm wieder, wie immer.
Drinnen haben sich alle um einen niedrigen Tisch in der Bar versammelt, als wäre der Abend schon vorbei.
Rich und Leron tragen noch ihre Schürzen und haben sich, die Füße auf dem Tisch, in Sessel gefläzt. Manny und Jacquie setzen sich aus Gewohnheit auf gegenüberliegende Seiten. Roz hat ihre Schuhe ausgezogen und erzählt von dem Tag, an dem Fat Kathys Exfreund verhaftet wurde, weil er sich mit ihr auf dem Parkplatz prügelte.
Manny hat die Geschichte schon oft von ihr gehört und lehnt sich im Kerzenlicht zurück, hört nur mit einem Ohr zu und wartet auf die Pointe: dass Fat Kathy Manny beschimpft habe, weil er die Polizei verständigte, bevor sie es dem Typen richtig gegeben hatte (in fast allen Punkten falsch: Nicht Manny hat angerufen, sondern Joanne, nachdem der Typ Fat Kathy die Nase gebrochen hatte; und die Bemerkung war nur eine Witzelei von Fat Kathy, während sie sich einen Lappen vors Gesicht hielt). Das war schon vor einer Ewigkeit, noch bevor Jacquie anfing, in einem anderen Leben. Aber auch jetzt ist alles wieder ganz anders, als bestünde gar kein Zusammenhang.
Manny sitzt im Dunkeln und lässt Revue passieren, wie er mit Jacquie neben dem Müllcontainer in seinem Wagen sitzt, obwohl sie sich immer zusammenrissen und nie auf dem Parkplatz knutschten. Sie gingen gern in den Park, wo sie am Bach hinterm Stadion an den Picknicktischen saßen oder sich über das Geländer der Fußgängerbrücke beugten und beobachteten, wie die Zweige davontrieben, die sie ins Wasser fallen ließen.
«Manny», sagt Roz gerade.
«Was denn?»
«Wie hieß er noch gleich? Boyd, Burt, Bart – irgendwas Ländliches.»
«Bret.»
«Und Bret saß in seinem Pick‐up, nippte an seinem Jack und überlegte», erzählt sie weiter. Manny schließt kurz die Augen und versucht, sich an das Gesicht dieses Kerls zu erinnern. Er sieht seinen Pick‐up vor sich, einen großen, klotzigen Chevy, ein rotes Flanellhemd, vielleicht einen Bart. Er sieht Fat Kathy in ihrer Uniform, komplett mit Namensschild, als wäre sie gerade zur Arbeit gekommen, aber an den Freund kann er sich nicht mehr erinnern, und er glaubt, dasselbe wird er mal für Rodney sein: ein fetter, gesichtsloser Name mit einem großen Schlüsselbund, Jacquies ehemaliger Chef. Und das ist auch gut, so muss es sein.
Die Pointe erntet ein paar Lacher, und Roz dreht sich zu Leron um und fragt: «Woher hast du überhaupt das Veilchen?»
Leron starrt sie schweigend mit zusammengekniffenen Augen an, als hätte sie kein Recht, danach zu fragen. Einen Moment befürchtet Manny, er könnte in die Luft gehen oder einfach nicht antworten. Doch Leron neigt den Kopf zur Seite und legt den Finger auf die Wange. «Das hat mir eine Katze verpasst.»
«Au», sagt Ty und zuckt zusammen.
Als Nächstes ziehen sie über Suzanne her. Alle kennen sie, also hat jeder etwas beizutragen. Sogar Manny muss über die Geschichte lachen, wie sie am Empfangspult mal jemandem am Telefon gesagt hat,
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