Letzte Nacht
darüber Gedanken zu machen, ob Dom irgendwas rausgeschmuggelt hat, während Manny im Einkaufszentrum war. Er schreitet im Hauptsaal auf und ab und geht wieder ins Foyer, blickt auf den Parkplatz hinaus und legt sich zurecht, was er Jacquie sagen könnte, falls sich eine Gelegenheit mit ihr allein ergibt. Jedes Paar Scheinwerfer könnte Rod‐neys sein, der kommt, um sie für immer fortzuholen, es sei denn, Manny unternimmt etwas, aber was kann er tun oder sagen, das er nicht schon ausprobiert hat?
Das Schlimmste ist: Im Grunde weiß er, dass sie recht hat, dass seine Vorstellungen kindisch und unrealistisch waren und dass er sich glücklich schätzen kann, wenigstens eine Weile mit ihr zusammengewesen zu sein. Er hat sich nie für jemanden gehalten, der alles wegwirft für ein ganz neues Leben, und genau das müssten sie beide tun.
Jacquie hat das begriffen – wie’s aussieht, von Anfang an –, und sie musste ihn während ihrer Beziehung ständig daran erinnern, dass es nur eine kurze Affäre sei, obwohl sie selbst gern daran geglaubt hätte. Einmal im Leben war er der Träumer und zwang seinem Gegenüber die Verantwortung auf; das ärgerte sie natürlich, und in ihren eigentlich glücklichsten Momenten machte sie ihm Vorwürfe, was ihn verwirrte und glauben ließ, er sei allein schuld an ihren Problemen, wo er doch bereit war, alles aufzugeben, um mit ihr zusammenzusein. Jetzt sieht er, wie verrückt das klingt – und wie grausam, weil das Baby unterwegs ist und Deena sich auf ihn verlässt –, aber damals hat er wirklich daran geglaubt und hätte es auch durchgezogen, wenn sich Jacquie nicht anders entschieden hätte. Und obwohl sie recht hatte – immer noch recht hat –, wünscht er sich manchmal, es wäre anders gekommen. Manchmal hängt er dem egoistischen Wunsch nach, sie wäre viel zu verknallt in ihn gewesen, um verhindern zu können, dass sie eine Dummheit begingen.
Als er in den Flur biegt, sieht er einen Schal auf der Garderobe liegen – einen schwarzen, weichen Strickschal mit einem Etikett von Nordstrom s (kein schlechtes Geschenk, denkt er). Gehört wahrscheinlich jemandem von der Abschiedsparty. Hinten haben sie einen Karton für Fundsachen. Manny stolziert mit dem Schal an Roz und Jacquie vorbei und legt ihn zu den beiden Totes‐Regenschirmen, der schweißfleckigen Yankee‐Kappe und der schmutzigen Plastikrassel, obwohl sie das ganze Zeug morgen wahrscheinlich wegschmeißen.
Über dem Karton hängt seine Krawatte an der Garderobenstange, noch feucht, aber schon so trocken, dass er in die Toilette geht und die Krawatte eine Weile unter den Händetrockner hält, sie sich dann heiß um den Hals legt und vor dem Spiegel zurechtrückt. In der riesigen Behindertentoilette wirft er sie sich über die Schulter, bevor er sich setzt, wartet dann und starrt die schwarz‐weißen Fußbodenfliesen an, zwischen denen zur Betonung hin und wieder eine rote eingefügt ist. Er verknüpft sie wie bei einem Kreuzworträtsel, und seine Oberschenkel werden schon langsam taub, als plötzlich jemand an die Toilettentür klopft, sie quietschend aufgeht und ein Schwall Celine Dion hereinweht.
«Hey Chef», ruft Roz.
«Ja?»
«Komm vom Topf runter. Wir haben Gäste.»
Er zieht ganz behutsam an dem billigen Toilettenpapier, damit es nicht reißt, und sein erster Gedanke ist ein Tagtraum, so schal, dass er ihn unwillkürlich im Schnellgang durchläuft. Der Wagen, der über den Parkplatz schleicht, ist voller Gangster oder Terroristen, die das Unwetter ausnutzen, um das Restaurant zu überfallen.
Sie nehmen alle anderen als Geiseln, während sich Manny auf der Herrentoilette versteckt, sich schließlich rausschleicht und das Lobster wie Bruce Willis in Stirb langsam mit Mut und Intelligenz rettet.
In Wirklichkeit handelt es sich bei den Gästen um ein gebrechliches altes Paar, das bei diesem Wetter draußen gar nichts zu suchen hat. Die Frau kommt den Weg entlanggewankt, ihr Mann direkt neben ihr wie ein Pfleger, beide Hände um ihren Arm geklammert, um sie zu stützen, und trotzdem torkelt und schwankt sie, als würde sie jeden Moment stürzen. Manny tritt in die Kälte hinaus, hält ihnen die Tür auf und muss sich beherrschen, um nicht noch mehr zu tun. Er denkt, dass sie sich nur in den Wind lehnen, aber als sie an ihm vorbeigehen, sieht er, dass beide gebeugt sind, die Frau schiefschultrig, der Mann bucklig, die Schultern hochgezogen bis zu den Ohren.
Drinnen hilft der Mann der Frau aus dem Mantel und
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