Letzte Rache: Thriller (German Edition)
spürte, dass sein Handy in der Gesäßtasche seiner Jeans vibrierte. Als er sah, dass es seine Frau war, nahm er das Gespräch an.
»Hallo.«
»John. Du musst zur Schule fahren.« Helens Ton war angespannt. »Es hat eine Bombendrohung gegeben …«
Neun
Als er am Barbican Centre eintraf, sah die Umgebung der Schule wie eine Szene aus einem direkt für den Heimvideomarkt produzierten Polizeifilm aus. Der gesamte Komplex war mit gelbem Band abgesichert worden. Außerhalb des Bands standen Touristen und Büroangestellte herum, hin- und hergerissen von einer Mischung aus Sorge und Neugier, während sie sich den nachdrücklichen Versuchen von etwa einem Dutzend uniformierter Polizisten widersetzten, die sie zum Weitergehen veranlassen wollten. Als Carlyle sich dem Eingang Silk Street näherte, zählte er mehr als ein Dutzend Polizeifahrzeuge, einschließlich zweier großer Transporter des Bombenentschärfungskommandos. Er fragte sich, wie lange sie brauchen würden, das ganze Gebäude zu durchsuchen – mindestens einige Stunden. Heute gäbe es mit Sicherheit keinen Unterricht mehr. Er wählte die Nummer von Alice auf seinem Handy und fluchte, als ihm mitgeteilt wurde, dass das Netzwerk überlastet sei.
»Verdammt!«
Sofort drückte der die Wiederwahltaste. Und bekam dieselbe Nachricht.
»Scheißtelefon!«
Und noch einmal.
Und noch einmal.
Beim fünften oder sechsten Versuch kam er durch. Nach knapp zwei Klingeltönen schaltete sich ihre Mailbox-Ansage ein: »Hallo! Hier ist Alice. Sprich mir eine Nachricht auf Band, und ich rufe zurück. Tschüs!«
»Alice«, sagte er so ruhig er konnte, »hier spricht Dad. Ruf mich an, wenn du das hier abhörst.«
Mit dem Telefon in der Hand ging er zu einem Sergeant, der an dem Absperrband stand. Als er ihm seinen Ausweis zeigte, nickte ihm der Polizist zu, der ihn offenbar wiedererkannte.
»Wo sind die Schulkinder?«, fragte Carlyle.
»Zu den RV -Punkten gegangen, Sir«, sagte der Sergeant routiniert.
»Und wo sind die RV -Punkte?«
»Äh …« Der Beamte zuckte mit den Achseln.
Carlyle war kurz davor, ihn zu ohrfeigen, als sie von einer Frau mittleren Alters mit einem Klemmbrett unterbrochen wurden. »Welche Klasse?«, fragte sie Carlyle barsch.
»Äh …« Jetzt war Carlyle an der Reihe, seine Unkenntnis zu offenbaren.
Die Frau verbarg ihre gerunzelte Stirn hinter ihrem Klemmbrett. »Lehrer?«
»Ein Mann, glaube ich«, war alles, was Carlyle beisteuern konnte.
Diesmal unternahm die Frau keinen Versuch, ihre Verachtung seiner Unkenntnis zu verbergen.
Mit einer Engelsgeduld gewährte sie ihm eine letzte Chance. »Ober- oder Unterstufe?«
»Unterstufe«, sagte Carlyle entschlossen. Er wusste, dass er mit dieser Antwort mindestens eine fünfzigprozentige Chance hatte, recht zu haben.
»Sie werden zum Monkwell Square gegangen sein.«
Carlyle schaute sie ausdruckslos an.
»Es ist direkt neben der Ironmongers’ Hall«, sagte der Sergeant hilfreich. »Gehen Sie in Richtung St. Paul’s – es liegt direkt vor London Wall. Sie sollten nicht mehr als fünf Minuten brauchen, höchstens.«
»Danke«, erwiderte Carlyle mürrisch. Er machte auf dem Absatz kehrt und trabte an den Gaffern und den aufs Geratewohl geparkten Polizeiautos vorbei.
Er brauchte nur zwei Minuten, um den Square zu finden. Der Platz war voller Mädchen in Uniform, die in kleinen Gruppen miteinander plauderten, auf dem Rasen herumlungerten und im Allgemeinen einen ziemlich zufriedenen Eindruck machten, weil ihnen ein freier Nachmittag bevorstand. Eine ganze Menge von ihnen rauchte, und er war schockiert, als er ein Mädchen sah, das noch jünger als Alice zu sein schien und ab und zu an einer Zigarette zog, während es unter einem Baum saß. Wie würde er reagieren, wenn er seine Tochter beim Rauchen erwischte? Das würde er dann entscheiden, wenn er vor ihr stände.
Erst mal musste er sie finden. Er brauchte noch ein paar Minuten, bis er jemanden auftrieb, der wie ein Lehrer aussah – ein großer Mann in einem Anzug, der ebenfalls ein Klemmbrett schwang. Carlyle, der sorgfältig darauf achtete, nicht auf eine der Schülerinnen zu treten, ging zu ihm und stellte sich vor.
Der Mann nickte. »John Doherty, stellvertretender Leiter der Unterstufe.« Als Carlyle erklärte, dass er nach seiner Tochter suche, runzelte er die Stirn. »Es ist nicht nötig überzureagieren.«
Überzureagieren?
»Wahrscheinlich ist es nur ein falscher Alarm«, fuhr Doherty fort. Er sah aus, als wäre er Anfang
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