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Letzte Rache: Thriller (German Edition)

Letzte Rache: Thriller (German Edition)

Titel: Letzte Rache: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Craig
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gewesen.«
    »Natürlich. Natürlich.« Mit der Hand am Kinn gab Orb sich nachdenklich. »Ich kenne die einzelnen Beteiligten nicht, aber es ist wahr, dass dieses spezielle Kapitel in unserer Geschichte, auf das Sie sich beziehen, noch nicht richtig abgeschlossen ist. Viele Menschen sind in jener Zeit verschwunden, nicht nur Priester. Viele von ihnen sind immer noch nicht gefunden worden.« Er schaute Carlyle an. »Können Sie sich vorstellen, welchen Kummer das für ihre Familien bedeutet?«
    Carlyle sagte nichts. Diese Art von Schmerzen wollte er sich nicht ausmalen.
    »Wenn es so ist, wie Sie sagen«, fuhr Orb fort, »und ein Fall dieser Art wird in meinem Land neu aufgerollt, ist es gut möglich, dass alte Wunden wieder aufgerissen werden. Wie könnte es anders sein? Wir Chilenen sind schließlich auch nur Menschen. Es war eine sehr schwierige Zeit.«
    »Das verstehe ich.«
    »Denken Sie beispielsweise an die Leidenschaften, die der Bürgerkrieg in Spanien immer noch auslöst. Das war sehr viel früher als unsere … Sache. Aber solange Generationen noch am Leben sind, die direkt betroffen waren, wird es immer ein sehr emotionales Thema bleiben.«
    »So emotional, dass Menschen deshalb getötet werden?«, fragte Carlyle.
    »Diese Frage ist sehr schwer zu beantworten.« Der Botschafter fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. »Theoretisch ja. Aber nach meiner Erfahrung sind Theorie und Praxis oft weit voneinander entfernt. Es ist tatsächlich möglich, aber das heißt noch lange nicht, dass Menschen das Gesetz auf solche Weise selbst in die Hand nehmen – besonders so weit von ihrer Heimat entfernt. Inzwischen haben die Zeiten sich geändert, aber damals …« Orbs Stimme verlor sich, während er auf den Fluss hinaussah, möglicherweise auf der Suche nach einer Ablenkung. Als er keine fand, wandte er sich wieder an Carlyle. »Nun ja, damals wäre ich nicht so glücklich dabei gewesen, einem Polizisten bei seinen Ermittlungen zu helfen.«
    »Leute konnten andere umbringen, und es geschah ihnen nichts?«, fragte Carlyle.
    »Ja, das konnten sie. Leute wie Sie.«
    Carlyle lächelte, um zu zeigen, dass er nicht beleidigt war. »Ich bin sicher, dass Sie recht haben, aber was ist mit Leuten wie Ihnen ?«
    »Leute wie ich?« Orb runzelte die Stirn. »Oh, Leute wie ich haben sich nie die Hände schmutzig gemacht.«
    »Dann haben Sie alles unbeschadet überstanden?«
    »Natürlich. Es war eine schreckliche Zeit, aber das Leben geht weiter. Man geht zur Arbeit, man gibt zu Hause Dinnerpartys, man nimmt die Kinder mit in den Zoo; die Erde dreht sich weiter, auch wenn Menschen in einem Fußballstadion ein paar Querstraßen weiter ermordet werden. Selbst wenn man davon weiß, selbst wenn man die Schüsse hört, was kann man machen? Nichts. Also macht man weiter mit seinem Leben. Das ist jetzt schwer vorstellbar, aber so war es.«
    »So schwer vorstellbar ist es nicht«, bemerkte Carlyle.
    »Was?« Orb zog eine Augenbraue hoch. »Hier in England? In einem der zivilisiertesten Länder der Welt? Und für Sie, einen Mann, der nie Krieg oder ernste innere Unruhen kennengelernt hat?«
    »Ich weiß«, sagte Carlyle, »ich kann von Glück reden. Aber ich weiß wenigstens, dass ich von Glück reden kann. Und ich weiß auch, wie schnell alles in die Binsen gehen kann. Die Fassade der zivilisierten Gesellschaft ist dünn. Unter den richtigen Umständen – den falschen Umständen – kann das, was in Chile passiert ist, was William Pettigrew passiert ist, jedem passieren.«
    »Allerdings.« Der Botschafter nickte.
    Es wurde langsam dunkel. Allmählich wurde es Zeit, dass Carlyle danach fragte, was er wirklich wollte. »Haben Sie eine Liste der Leute, die heute Abend hier eingeladen waren?«
    »Natürlich. Mein Büro war für die Einladungen zuständig.«
    »Kann ich eine Kopie haben?«
    »Auf jeden Fall«, sagte der Botschafter. »Ich werde Ihnen morgen eine schicken lassen.«
    »Vielen Dank.« Plötzlich kam Carlyle ein Gedanke, als er seine Visitenkarte mit seiner E-Mail-Adresse und seiner Faxnummer überreichte. »Was haben Sie denn damals gemacht?«
    »Ich?« Auf Orbs Gesicht machte sich Überraschung breit. »Dreiundsiebzig?«
    »Ja.«
    Der alte Mann richtete den Blick auf den dunkler werdenden Himmel. »1973 war ich, was man einen aufsteigenden Stern in der Christdemokratischen Partei nennen könnte. Ich habe Wirtschaftswissenschaften an der Universidad Católica de Chile in Santiago gelehrt. Mein Spezialgebiet war die

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