Letzter Akt in Palmyra
leid, junger römischer Herr, ich habe Ihre entzückende Maid nicht gesehen und auch nicht von dem raffgierigen syrischen Geschäftsmann gehört, der sie sich geschnappt hat …« Ein Messer wurde mir erstaunlicherweise nicht in die Rippen gerammt.
Ich strich ein weiteres mögliches Liebesnest für Sophrona und Habib (falls er wirklich der war, mit dem sie sich aus dem Staub gemacht hatte) von meiner Liste und machte mich auf den langen Rückweg zu unserem Lager vor der Stadt. Die ganze Zeit schaute ich über die Schulter, um zu sehen, ob mir irgendwelche Leute aus Hippos folgten. Allmählich wurde ich ebenso nervös wie sie.
Zum Glück wurde ich auf halber Strecke von meiner Unruhe abgelenkt, als ich Ribes, den Lyraspieler, traf. Ribes war ein teigiger junger Mann, der glaubte, seine Rolle als Musiker bestünde darin, mit schiefem Haarschnitt herumzusitzen und großartige Pläne zu verkünden, wie er durch beliebte Lieder, die er allerdings noch komponieren mußte, ganz viel Geld verdienen würde. Bisher gab es kein Anzeichen dafür, daß er von ägyptischen Buchhaltern belagert wurde, die ihm gewaltige Agentenhonorare abknöpfen wollten. Er trug die Art Gürtel, die ihn als harten Burschen ausweisen sollte, und dazu den Gesichtsausdruck einer mondsüchtigen Wühlmaus. Ich wollte ihm ausweichen, aber er hatte mich bereits gesehen.
»Was macht die Musik?« fragte ich höflich.
»Läuft ganz gut …« Wie’s mit dem Schreiben lief, fragte er mich nicht.
Wir gingen eine Weile nebeneinander her und ich versuchte, mir den Knöchel zu verstauchen, damit ich zurückfallen konnte.
»Haben Sie nach Spuren gesucht?« fragte er ernsthaft.
»Nur nach einem Mädchen.« Das schien ihn zu beunruhigen, vielleicht weil er Helena kannte. Mich hat sowas noch nie beunruhigt.
»Ich habe über das nachgedacht, was Sie neulich zu uns gesagt haben«, meinte er nach ein paar weiteren Schritten. »Wegen dem, was Ione passiert ist …« Er verstummte. Ich zwang mich, interessiert auszusehen, obwohl mich die Aussicht auf ein Gespräch mit ihm so begeisterte wie der Gedanke, auf einem Bankett ohne Zahnstocher und ohne daß es die Gastgeberin merkte, in meinen Zähnen pulen zu müssen.
»Ist Ihnen was eingefallen, das mir weiterhelfen könnte?« ermutigte ich ihn trübsinnig.
»Ich weiß nicht.«
»Den anderen auch nicht«, sagte ich.
Ribes schaute munterer. »Tja, vielleicht weiß ich doch etwas.« Glücklicherweise hatte ich in den sechs Jahren als Ermittler gelernt, geduldig zu warten. »Ione und ich waren nämlich befreundet. Damit meine ich nicht – na ja, ich meine, wir haben nie, aber wir haben geredet.«
Das war die beste Neuigkeit seit Tagen. Männer, die mit der Tamburinspielerin geschlafen hatten, nützten mir nichts; sie hatten sich auch nicht gerade in Scharen gemeldet. Daher war mir dieses schwankende Rohr mit dem abgeknickten Stengel hochwillkommen; das Mädchen mochte sich ihm durchaus anvertraut haben, schließlich hatte er sonst so wenig zu bieten.
»Und was hat sie gesagt, Ribes, das Ihnen jetzt wichtig vorkommt?«
»Na ja, wußten Sie, daß sie mal was mit Heliodorus hatte?« Das konnte der Zusammenhang sein, nach dem ich suchte. Ione hatte angedeutet, daß sie mehr über den Stückeschreiber wußte als die meisten. »Er hat angegeben mit dem, was er von anderen wußte – Geschichten, die ihnen peinlich gewesen wären, verstehen Sie? Er hat ihr nie viel erzählt, nur Andeutungen gemacht, und ich weiß nur noch wenig von dem, was sie mir erzählt hat.« Ribes platzte nicht gerade vor Neugier, was den Rest der menschlichen Rasse betraf.
»Sagen Sie mir alles, woran Sie sich erinnern können.«
»Tja …« Ribes zählte ein paar quälend ungenaue Punkte auf: »Er meinte, er hätte Chremes in der Hand; er lachte, weil Congrio ihn bis aufs Blut haßte; er war angeblich ein guter Kumpel von Tranio, obwohl da was im Gange war …«
»Irgendwas über Byrria?«
»Nein.«
»Davos?«
»Nein.«
»Grumio?«
»Nein. Wirklich im Gedächtnis geblieben ist mir nur, daß Ione sagte, Heliodorus sei ganz widerlich zu Phrygia gewesen. Er fand raus, daß sie ein Kind hatte, das sie als Baby irgendwo zurücklassen mußte, und von dem sie unbedingt wissen wollte, was aus ihm geworden ist. Heliodorus behauptete, er würde jemanden kennen, der das Kind gesehen hätte, aber er wollte ihr nicht verraten, wer das war und wo es gewesen sein soll. Ione sagte, Phrygia mußte schließlich so tun, als würde sie ihm nicht
Weitere Kostenlose Bücher