Letzter Akt in Palmyra
schnappte Phrygia.
Ich entschied, ein heikleres Thema zu riskieren. »Davos machte Andeutungen, daß Sie sowieso gute Gründe hatten, sich gegen ihn zu wenden, Phrygia?«
»Ach, hat Davos dir die Geschichte erzählt, ja?« Phrygias Ton war hart geworden. Ich meinte zu sehen, daß sich Chremes etwas aufrichtete. »Der gute alte Davos!« knurrte sie.
»Er ist nicht ins Detail gegangen. Als Freund war er wütend, weil Heliodorus Sie so quälte. Er hat es nur erwähnt, um klar zu machen, was für ein Dreckskerl der Mann war.« Ich versuchte, die Atmosphäre zu beruhigen.
Phrygia war immer noch aufgebracht. »Er war wirklich ein Dreckskerl.«
»Tut mir leid. Beruhigen Sie sich …«
»Ich bin ganz ruhig. Ich hatte ihn durchschaut. Er war ein Schwätzer wie die meisten Männer.«
Wieder blickte ich zu Chremes hinüber, als bäte ich ihn um eine Erläuterung. Er senkte im vergeblichen Versuch, Sensibilität zu zeigen, die Stimme. »Nach seiner Aussage besaß er Informationen über einen Verwandten, den Phrygia wiederzufinden versuchte. Meiner Meinung nach nur ein übler Trick …«
»Und jetzt werden wir es niemals erfahren, nicht wahr?« brauste Phrygia wütend auf.
Ich weiß, wann es reicht, und ließ das Thema fallen.
Genüßlich verspeiste ich noch ein paar Stückchen Fleisch in einer scharfen Marinade. Augenscheinlich täuschte das abgerissene Äußere der Truppe darüber hinweg, wie gut es sich ihre Hauptdarsteller gehen ließen. Phrygia mußte unterwegs großzügig in Pfeffer und Gewürze investiert haben, und selbst in Nabatäa und Syrien, wo es keine Mittelsmänner zu bezahlen gab, wenn man direkt von den Karawanen kaufte, waren Gewürze teuer. Jetzt verstand ich das aufmüpfige Murren der Bühnenarbeiter und Musiker besser. Ehrlich gesagt, wäre ich bei dem mageren Anteil, den ich als Stückeschreiber erhielt, am liebsten selbst in Streik getreten.
Allmählich entstand ein faszinierendes Bild der Situation meines Vorgängers während seiner letzten Lebenstage. In Petra war er bereits ein Gezeichneter gewesen. Davos hatte mir schon erzählt, daß er Chremes ein Ultimatum gestellt hatte, den Schreiberling zu entlassen. Nun sagte Phrygia, sie habe das gleiche getan, trotz des Drucks, den Heliodorus wegen ihres vermißten Kindes auf sie auszuüben versuchte.
Als derjenige, der seinen Posten übernommen und ein paar Einsichten in seine Gefühle gewonnen hatte, tat mir Heliodorus beinahe leid. Er wurde nicht nur schlecht bezahlt und für die Arbeit, die er tat, gehaßt; auch sein weiterer Verbleib bei der Truppe war schwer bedroht.
Die Atmosphäre hatte sich so weit entspannt, daß ich die nächste Frage stellen konnte. »Heliodorus stand also kurz davor, die Truppe zu verlassen, als Sie nach Petra kamen?«
Phrygia nickte. Chremes schwieg, aber das hatte nichts zu bedeuten.
»Wußten alle, daß er auf der Abschußliste stand?«
Phrygia lachte. »Was glaubst du wohl?«
Alle wußten Bescheid.
Das fand ich interessant. Wenn Heliodorus so offensichtlich unter Druck gestanden hatte, war es höchst unverständlich, wieso jemand die Nerven verloren hatte. Normalerweise entspannen sich die anderen, wenn bekannt wird, daß der Kollege, mit dem es ständig Ärger gibt, dem Arbeitgeber aufgefallen ist. Wenn der diebische Koch kurz davor ist, wieder auf den Sklavenmarkt zu wandern oder der verschlafene Lehrling heim zu Mama geschickt werden soll, lehnt sich der Rest zurück und wartet einfach ab. Doch hier hatte jemand nicht mehr warten können, obwohl er wußte, daß Heliodorus auf dem Sprung war.
Wer hatte ihn so sehr gehaßt, daß er mit dem Mord an ihm alles riskierte, wo er doch sowieso verschwinden würde? Oder war sein Abgang das eigentliche Problem? Besaß oder wußte er etwas, das er als Hebel ansetzte? Wenn ich gehe, nehme ich das Geld mit! … Wenn ich gehe, erzähle ich alles … Oder sogar: Wenn ich gehen muß, sage ich nichts, und du wirst dein Kind niemals finden? Die Sache mit dem Kind war zu heikel, um weiter nachzubohren.
»Hatte jemand Schulden bei ihm, die zurückgezahlt werden mußten, wenn er ging?«
»Der hätte noch nicht mal eine Kupfermünze verliehen«, erklärte Phrygia.
Chremes fügte verdrießlich hinzu: »So wie der soff, ging alles, was er hatte, für Wein drauf.« Nachdenklich leerten wir beide unsere Becher mit dem überlegenen Gebaren von Männern, die über einen armen Trottel diskutieren, der dem Alkohol verfallen ist.
»Hatte er selbst Schulden?«
Phrygia antwortete.
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