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Letzter Akt in Palmyra

Titel: Letzter Akt in Palmyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Phrygia über Ione, weder bitter noch mißbilligend.
    Ich widersprach. »Sie kann nicht gewußt haben, daß sie dafür umgebracht werden würde.« Um gutes Benehmen bemüht, denn hier schien es formeller zuzugehen, als ich gewöhnt war, schaufelte ich mir so viele Leckerbissen in meine Eßschale wie möglich, ohne allzu gierig zu wirken. »Sie genoß das Leben zu sehr, um es einfach aufzugeben. Aber sie hat sich nicht gewehrt. Sie hatte nicht mit dem gerechnet, was ihr in dem Wasserbecken passierte.«
    »Sie war verrückt, da hinzugehen!« rief Chremes. »Ich verstehe das nicht. Sie dachte, der Mann, mit dem sie sich treffen wollte, habe Heliodorus ermordet. Warum hat sie so viel riskiert?«
    Phrygia versuchte zu helfen. »Ione war doch noch ein halbes Kind. Sie war überzeugt, daß niemand, der ihn haßte, sie aus den gleichen Gründen hassen würde. Sie kapierte nicht, daß ein Mörder unlogisch ist. Marcus …« – wir waren offenbar bei einem einseitigen Du angelangt –, »laß dich nicht nötigen. Greif zu.«
    »Soll das heißen«, fragte ich und balancierte vorsichtig eine in Honig getunkte Köstlichkeit auf einem Stück Brot, »sie wollte ihn wissen lassen, daß sie ihn in Verdacht hatte?«
    »Da bin ich mir ganz sicher«, erwiderte Phrygia. Sie hatte offenbar ausführlich darüber nachgedacht; vielleicht wollte sie sicher sein, daß ihr Mann nichts mit der Sache zu tun hatte. »Sie liebte Gefahr. Aber die kleine Idiotin hatte keine Ahnung, daß der Mann sie als Bedrohung empfand. Sie war nicht der Typ, um ihn zu erpressen, obwohl er vermutlich damit rechnete. Wie ich Ione kenne, hat sie das Ganze für einen tollen Spaß gehalten.«
    »Der Mörder hatte also das Gefühl, sie würde sich über ihn lustig machen. Das Schlimmste, was sie tun konnte«, stöhnte ich. »Was ist mit dem Stückeschreiber? Hat es ihr denn gar nicht leid getan, daß Heliodorus aus der Gesellschaft entfernt worden war?«
    »Sie mochte ihn nicht.«
    »Warum? Ich habe gehört, daß er mal hinter ihr her war.«
    »Der war hinter allem her, was zwei Beine hatte und Röcke trug«, sagte Chremes. Nach allem, was ich so gehört hatte, war das eine ziemlich anmaßende Bemerkung von ihm. »Wir mußten ständig die Mädchen aus seinen Klauen retten.«
    »Ach? Waren Sie es, der Byrria vor ihm gerettet hat?«
    »Nein. Die kann auf sich selbst aufpassen, glaube ich …«
    »Oh, glaubst du!« rief Phrygia höhnisch.
    »Wußten Sie, daß Heliodorus versucht hat, Byrria zu vergewaltigen?« fragte ich Phrygia.
    »Mir ist so etwas zu Ohren gekommen.«
    »Kein Grund zur Heimlichkeit. Sie hat es mir selbst erzählt.« Da ich sah, daß sich Chremes einen Nachschlag holte, beugte ich mich vor und griff auch nochmal zu.
    »Tja, wenn Byrria es dir erzählt hat … Ich wußte davon, weil sie hinterher völlig aufgelöst zu mir kam und die Truppe verlassen wollte. Ich habe sie überredet, bei uns zu bleiben. Sie ist eine gute kleine Schauspielerin. Warum sollte sie sich von so einem üblen Kerl die Karriere zerstören lassen?«
    »Haben Sie ihn zur Rede gestellt?«
    »Natürlich!« nuschelte Chremes mit vollem Mund. »Sowas würde sich Phrygia doch nicht entgehen lassen.«
    Phrygia keifte ihn an: »Ich wußte, daß du es nicht tun würdest!« Er schaute unsicher. Ich fühlte mich ebenfalls unsicher, ohne Grund. »Er war unmöglich. Man mußte etwas gegen ihn unternehmen. Du hättest ihn an Ort und Stelle rauswerfen sollen.«
    »Sie haben ihn verwarnt?« soufflierte ich und leckte mir Soße von den Fingern.
    »Es war mehr eine Drohung als eine Verwarnung.« Das konnte ich mir gut vorstellen. Phrygia war eine richtige Dampfwalze. Aber in Anbetracht dessen, was mir Ribes erzählt hatte, fragte ich mich, ob sie den Stückeschreiber wirklich rausgeschmissen hätte, obwohl er vielleicht etwas über ihr vermißtes Kind wußte. Sie wirkte jedoch sehr entschieden. »Ich sagte ihm, noch ein Fehler, und es sei mit Chremes’ Langmut vorbei; dann könne er sein Bündel schnüren und verschwinden. Er wußte, daß es mir ernst war.«
    Ich schaute zu Chremes hinüber. »Ich war schon seit langem extrem unzufrieden mit dem Mann«, erklärte er, als sei alles seine Idee gewesen. Ich verbarg ein Lächeln, während er das Beste aus einer Situation machte, die ihm entglitten war. »Ich war selbstverständlich bereit, den Rat meiner Frau anzunehmen.«
    »Aber als Sie nach Petra kamen, war er immer noch bei der Truppe?«
    »Auf Bewährung«, sagte Chremes.
    »Ihm war gekündigt!«

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