Letzter Akt in Palmyra
einfach nur beschissen.« Ich seufzte. Man sollte nie Ratschläge geben. Die Leute durchschauen einen und schlagen zurück. »Insgesamt gesehen, haben Sie recht. Das Leben ist also beschissen; Ambitionen erfüllen sich nicht; Freunde sterben; Männer zerstören und Frauen verfallen. Aber falls ihr, meine liebe Byrria und mein lieber Musa, bereit seid, auf den guten Rat eines Freundes zu hören, dann würde ich sagen: wenn euch irgendwo wahre Zuneigung begegnet, dreht ihr nicht den Rücken zu.«
Helena, die hinter mir stand, lachte liebevoll. Sie zauste mir das Haar, beugte sich dann über meine Schulter und küßte mich auf die Stirn. »Diese arme Seele muß ins Bett. Musa, bringen Sie Byrria zu ihrem Zelt?«
Wir sagten alle gute Nacht, dann sahen Helena und ich den beiden nach.
Sie gingen unbehaglich nebeneinander her, ohne sich zu nahe zu kommen. Sie schlenderten zwar langsam, als gäbe es noch einiges zu sagen, aber wir hörten sie beim Weggehen nicht sprechen. Wie Fremde wirkten sie, und doch, hätte ich ein professionelles Urteil abgeben müssen, dann hätte ich gesagt, daß sie mehr voneinander wußten, als Helena und ich ahnten.
»Haben wir einen Fehler gemacht?«
»Ich wüßte nicht, welchen, Marcus.«
Wir hatten – obwohl es noch einige Zeit dauern sollte, bis ich das Offensichtliche kapierte.
Helena und ich vergruben die Abfälle und packten unsere Sachen zusammen, um vor Tagesanbruch abfahrbereit zu sein. Helena lag schon im Bett, als ich Musa zurückkommen hörte. Ich trat hinaus und sah ihn an den Überresten des Feuers hocken. Er mußte mich gehört haben, machte aber keine Anstalten, mir auszuweichen, also hockte ich mich neben ihn. Er hatte das Gesicht in die Hände gelegt.
Nach einem Moment knuffte ich ihn tröstend in die Schulter. »Ist irgendwas passiert?«
Er schüttelte den Kopf. »Nichts von Bedeutung.«
»Nein. Ich dachte mir schon, daß Sie das unglückliche Gesicht eines Mannes mit reinem Gewissen spazierentragen. Das Mädchen ist ein Dummkopf!«
»Nein, sie war sehr freundlich.« Er sagte das so, als seien sie Freunde.
»Reden Sie, wenn Sie wollen, Musa. Ich weiß, daß es ernst ist.«
»Ich habe noch nie so empfunden, Falco.«
»Ich weiß.« Ich ließ einen Augenblick verstreichen, bevor ich weitersprach. »Manchmal verschwindet dieses Gefühl einfach.«
Er blickte auf. Sein Gesicht war verzerrt. Heftige Gefühle schüttelten ihn. Ich mochte den armen Kerl; es fiel schwer, sein Unglück mit anzusehen. »Und wenn nicht?« brachte er hervor.
Ich lächelte traurig. »Wenn nicht, gibt es zwei Möglichkeiten. Meistens – und das können Sie selbst erraten – löst sich alles in Wohlgefallen auf, weil das Mädchen von der Szene verschwindet.«
»Oder?«
Ich wußte, wie gering die Chancen waren. Aber mit Helena, die nur wenige Fuß entfernt schlief, mußte ich auch die fatale Möglichkeit eingestehen: »Oder die Gefühle bleiben – und sie auch.«
»Ah!« rief Musa leise aus, wie zu sich selbst gewandt. »Und was mache ich dann?« Ich nahm an, er meinte Falls ich Byrria gewinne, was mache ich dann mit ihr?
»Sie werden schon darüber hinwegkommen, Musa. Glauben Sie mir. Vielleicht wachen Sie morgen auf und stellen fest, daß Sie bis über beide Ohren in eine laszive Blondine verschossen sind, die sich schon immer eine heiße Bettgeschichte mit einem nabatäischen Priester gewünscht hat.«
Ich bezweifelte das. Auf die unwahrscheinliche Gefahr hin, daß er seine Kräfte brauchen würde, zog ich Musa auf die Füße und schickte ihn ins Bett.
Morgen, wenn ein Anflug kühler Vernunft nicht mehr ganz so verletzend sein mochte, würde ich ihm meine Theorie auseinandersetzen – daß es besser war, den Damen seine vielschichtige Persönlichkeit in ihrer eigenen Sprache nahezubringen als sie mit Gedichtrezitationen, die sie nicht verstanden, zu Tode zu langweilen. Wenn das nichts half, würde ich einfach sein Interesse am Trinken, derben Liedern und schnellen Wagen wecken müssen.
LI
Kanatha.
Eine alte, ummauerte, abgeschlossene Stadt, die an dem nördlichen Abhang der Basaltebene klebte. Als einziger Wohnort von einiger Größe in dieser entlegenen Gegend, hatte sie einen besonderen Ruf erlangt und eine spezielle Atmosphäre entwickelt. Die Stadt war klein. Die kommerziellen Aktivitäten waren größer, weil ein wichtiger Handelsweg von Bostra hier vorbeiführte. Selbst mit den eleganten hellenistischen Attributen, an die wir uns inzwischen gewöhnt hatten –
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