Letzter Akt in Palmyra
meine verträumten Spekulationen ein. »Um sie heimlich durch die tanzenden Funken bewundern zu können?«
»Außer er weicht ihr aus, weil er sich nicht gewaschen hat.«
»Unfair!«
Das stimmte. Musa war immer sauber. Wenn man bedachte, daß er sich uns in Petra so unerwartet und mit so wenig Gepäck hatte anschließen müssen, war es ein Rätsel, wie er es schaffte, vorzeigbar zu bleiben. Da wir das Zelt teilten, hätten Helena und ich schnell bemerkt, wenn er unerfreuliche Angewohnheiten gehabt hätte. Das Schlimmste war der einfältige Ausdruck, den er jetzt aufgesetzt hatte, während ich versuchte, ihn als weltgewandten Liebhaber zu verkaufen.
Für den heutigen Abend hatte er wie immer sein langes weißes Gewand angezogen. Er besaß nur das eine, und doch wirkte es stets frisch. Er sah gewaschen und gepflegt aus, und hatte sich zweifellos rasiert (etwas, womit sich viele von uns unterwegs nicht aufhielten). Bei näherer Betrachtung hatte er sich sogar etwas herausgeputzt: ein Skarabäus-Amulett aus Speckstein auf seiner Brust, das er sich in Gerasa gekauft hatte, ein Hanfseilgürtel, der so neu aussah, daß er ihn in Bostra erstanden haben mußte, und außerdem trug er den Kopf auf römische Art unbedeckt. Das ließ ihn jungenhaft aussehen; ich hätte ihm davon abgeraten, aber in Sachen eleganter Herrenbekleidung hatte er mich nicht um Rat gefragt.
Auch Byrria hatte sich wegen unserer formellen Einladung ein bißchen feingemacht. Sie war in Grün, eher schlicht, mit einem sehr langen Rock und langen Ärmeln wegen der Fliegen, die sich in der Dämmerung auf uns zu stürzen pflegten. Mal was anderes als ihre glitzernden, alles enthüllenden Bühnenkostüme; heute abend war sie offenbar sie selbst. Dazu gehörten lange, bronzene Ohrringe, die ständig klapperten. Wäre ich nicht in einer so friedfertigen Stimmung gewesen, sie hätten mich entsetzlich genervt.
Helena wirkte sehr elegant in einem braunen Kleid, von dem ich bisher gar nicht gewußt hatte, daß sie es besaß. Ich selbst hatte mich für etwas Lässiges entschieden und probierte zum ersten Mal eines der langen, gestreiften hiesigen Gewänder aus, das ich mir zum Schutz gegen die Hitze gekauft hatte. Ich fühlte mich wie ein Ziegenhirte und hatte das dringende Bedürfnis, mich zu kratzen; hoffentlich lag das nur an der Neuheit des Materials.
Während wir ihn aufzogen, setzte Musa eine geduldige Miene auf, erhob sich aber, atmete die kühle Nachtluft ein und schaute nach Süden.
»Seien Sie nett zu ihm«, sagte Helena zu Byrria. »Wir glauben, Musa hat Heimweh.« Er wandte sich ihr zu, als hätte sie ihm vorgeworfen, unhöflich zu sein, blieb jedoch stehen. Wenigstens konnte Byrria ihn so besser sehen. Er war ganz passabel, viel mehr aber auch nicht.
»Das ist nur ein Trick«, erklärte ich dem Mädchen vertraulich. »Jemand hat mal behauptet, Frauen mögen Männer, die eine mysteriöse Traurigkeit ausstrahlen.«
»Ich bin nicht traurig, Falco.« Musa warf mir den beherrschten Blick eines Mannes zu, der nach einem zu üppigen Essen nun versucht, mit seiner Verstopfung fertigzuwerden.
»Vielleicht nicht. Aber die schönste Frau in Syrien zu ignorieren, ist ganz schön mysteriös.«
»Oh, ich ignoriere sie nicht!«
Na, das war schon besser. Seine ernsthafte, besonnene Sprechweise ließ es irgendwie bewundernd klingen. Helena und ich wußten, daß Musa immer so sprach, aber Byrria mochte es als unterdrückte Leidenschaft interpretieren.
»Da haben Sie’s.« Ich grinste sie bedeutungsvoll an. »Sie tun recht daran, vorsichtig zu sein. Unter der eisigen, unnahbaren Pose schwelt ein heißblütiger Schwerenöter. Verglichen mit diesem Mann war Adonis ein rüpelhafter Bock mit Mundgeruch und Schuppen. Gleich wird er Ihnen Rosen zuwerfen und Gedichte rezitieren.«
Musa lächelte höflich. »An den Gedichten soll es nicht scheitern, Falco.«
Es mangelte uns zwar am Floristischen, aber er kam zum Feuer und ließ sich gegenüber von Helena und mir nieder, was ihn endlich dem Mädchen näherbrachte, das er in Verzückung bringen sollte. Leider vergaß er, es anzusehen. Dort lag schon ein Kissen bereit (von Helena vor dem Essen dort plaziert, damit sich die Dinge entsprechend entwickeln konnten, falls es unsere Gäste wünschten). Dann begann Musa zu rezitieren. Offenbar ein sehr langes Gedicht, und in nabatäischem Arabisch.
Byrria lauschte mit einem leisen Lächeln und hielt die schrägen grünen Augen sittsam niedergeschlagen. Viel mehr konnte das
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