Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Letzter Akt in Palmyra

Titel: Letzter Akt in Palmyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
Vom Netzwerk:
es hauptsächlich um Schuld«, räumte er mit einem ironischen Lächeln ein.
    »Ach? Und ich dachte, es ginge darum, verborgene Ängste wachzurufen.«
    »Sind Sie Theoretiker, Falco?«
    »Warum nicht? Nur weil Chremes mir dauernd diesen Routinekram aufdrückt, muß das ja nicht heißen, daß ich die Texte, die ich da für ihn überarbeite, nicht ausführlich studiere.«
    Da er neben mir herritt, war es schwierig, ihn genau zu beobachten. Wenn ich den Kopf zur Seite drehte, konnte ich sehen, daß er in Kanatha beim Friseur gewesen war; das Haar am Hinterkopf war so kurz geschoren, daß die nackte Haut darunter zu sehen war. Selbst ohne mich zu verdrehen, roch ich den ziemlich aufdringlichen Balsam, den er beim Rasieren aufgetragen hatte – der Mißgriff eines jungen Mannes, der das Zeug nun – weil er arm war – aufbrauchen mußte. Ein gelegentlicher Seitenblick ließ mich die dunkel behaarten Arme erkennen, einen grünen Siegelring mit einem Sprung im Stein und Fingerknöchel, die vor Anstrengung, gegen den starken Willen des Kamels anzukämpfen, weiß waren. Aber er ritt in meinem toten Winkel. Da ich mich darauf konzentrieren mußte, unseren wegen der gebleckten Zähne von Tranios biestigem Kamel nervös gewordenen Ochsen zu beruhigen, konnte ich dem Burschen nicht direkt in die Augen schauen.
    »Eine mühselige Arbeit«, fuhr ich fort und lehnte mich mit meinem ganzen Gewicht zurück, um den Ochsen vom Durchgehen abzuhalten. »Würde mich mal interessieren, ob Heliodorus das genauso gesehen hat. Empfand er es nur als Stückwerk, mit dem er sich notgedrungen herumschlagen mußte? Fand er es unter seiner Würde?«
    »Köpfchen hatte er schon«, gab Tranio zu. »Und der Schleimer wußte das ganz genau.«
    »Er setzte es ein, nehme ich an.«
    »Nicht beim Schreiben, Falco.«
    »Nein. Die Schriftrollen mit den Stücken, die in der Lade waren, beweisen das. Seine Korrekturen sind miserabel und schludrig – wenn man sie überhaupt lesen kann.«
    »Warum interessieren Sie sich so für Heliodorus und seinem unglaublichen Mangel an Talent?«
    »Aus Kollegialität!« Ich lächelte, ohne den wahren Grund zu verraten. Ich wollte herausfinden, warum Ione behauptet hatte, daß der vorherige Stückeschreiber aus rein professionellen Motiven ermordet worden sei.
    Tranio lachte, vielleicht etwas unbehaglich. »Ach, kommen Sie! Sie wollen mir doch nicht erzählen, daß Heliodorus insgeheim ein begnadeter Komödiendichter war! Das stimmt nicht. Sein Einfallsreichtum war enorm, wenn es darum ging, andere zu manipulieren, aber schreiberisch war er ein kompletter Idiot. Und das wußte er auch, glauben Sie mir!«
    »Sie haben ihn darüber nicht im Unklaren gelassen, was?« fragte ich eher trocken. Bei mir nahmen die Leute ja auch kein Blatt vor den Mund, wenn ihnen meine Arbeit nicht gefiel.
    »Jedesmal, wenn ihm Chremes irgendein verstaubtes griechisches Meisterwerk gab und die Späße modernisiert haben wollte, wurde sein Mangel an intellektuellen Fähigkeiten mitleiderregend klar. Er konnte einfach niemanden zum Lachen bringen. Man hat es entweder, oder man hat es nicht.«
    »Oder man kauft eine Witzesammlung.« Mir fiel ein, was Congrio erwähnt hatte. »Jemand sagte mir, daß die immer noch zu haben sind.«
    Tranio fluchte, von seinem Kamel abgelenkt, das einen Kriegstanz aufführte. Dazu gehörte unter anderem, Tranio seitlich gegen meinen Karren zu drängen. Ich stimmte in seine Flüche ein; Tranios Bein wurde schmerzhaft gegen das Rad gedrückt; mein Ochse brüllte heiser seinen Protest und die Leute hinter uns schrien Schimpfworte.
    Nachdem wieder Frieden herrschte, war Tranios Kamel mehr denn je daran interessiert, meinen Karren zu beschnuppern. Der Clown tat sein Bestes, das Vieh wegzuzerren, während ich nachdenklich sagte: »Zugang zu einem unerschöpflichen Vorrat an gutem Material zu haben, wäre doch nett. Sowas wie das, von dem Grumio mir erzählt hat – eine ererbte Kollektion von Späßen.«
    »Das ist doch Schnee von gestern, Falco.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Grumio ist davon besessen und er irrt sich.« Offenbar war ich hier auf eine alte berufliche Meinungsverschiedenheit gestoßen, die er mit Grumio hatte. »Man kann für Humor nicht auf einer Auktion bieten. Das gibt es heutzutage nicht mehr. Oh, vielleicht hat es mal ein goldenes Zeitalter der Komödie gegeben, als solches Material sakrosankt war und ein Possenreißer ein Vermögen verdienen konnte, wenn er die von seinem Ururgroßvater geerbte kostbare

Weitere Kostenlose Bücher