Letzter Akt in Palmyra
»der war einfach durch und durch mies.«
»Aber weshalb?«
»Das weiß nur Juno.«
»Hat er sich jemanden besonders zum Feind gemacht?«
»Nein. Er war gerecht; er haßte alle.«
»Und alle haßten ihn gleichermaßen? Was ist mit Ihnen, Phrygia? Wie kamen Sie mit ihm zurecht? Eine Schauspielerin mit Ihrem Status ist gegen seine Boshaftigkeit doch sicherlich immun?«
»Mein Status!« schnaubte sie. Ich blieb still. »Das war einmal. Ich hätte einst in Epidauros die Medea spielen können …« Das mußte Jahre her sein, aber ich glaubte ihr trotzdem. Heute abend war sie in einer Minirolle als Priesterin aufgetreten, die eine Vorstellung dessen vermittelte, was hätte sein können.
»Das hätte ich gern gesehen. Ich kann mir gut vorstellen, wie Sie Jason zur Schnecke machen und die Kinder verdreschen … Was geschah?«
»Ich heiratete Chremes.« Und vergab ihm nie. Trotzdem war es zu früh für Mitleid mit ihm, da ich keine Ahnung hatte, welche anderen Krisen ihre Beziehung so zerstört hatten. Meine Arbeit hatte mich schon vor langem gelehrt, niemals über Ehen zu urteilen.
»Heliodorus wußte, daß Sie die Medea hätten spielen sollen?«
»Natürlich.« Sie sagte das ganz ruhig. Ich brauchte nicht nach Einzelheiten zu bohren. Man konnte sich gut vorstellen, was er aus diesem Wissen gemacht hatte; hinter ihrer Zurückhaltung lag eine ganze Welt der Qualen.
Sie war eine hervorragende Schauspielerin. Vielleicht spielte sie mir auch jetzt etwas vor. Vielleicht waren Heliodorus und sie in Wirklichkeit leidenschaftlich ineinander verliebt gewesen – oder sie hatte ihn gewollt, war zurückgestoßen worden und hatte für seinen Badeunfall gesorgt … Zum Glück war Helena nicht da, um meine wilden Theorien mit ihrem Hohn zu überschütten.
»Warum hat Chremes ihn behalten?« Selbst wenn sie und ihr Mann grundsätzlich nicht miteinander sprachen, hatte ich das Gefühl, daß Gespräche über die Truppe möglich waren. Wahrscheinlich war es das einzige, was sie zusammenhielt.
»Chremes ist zu weichherzig, um jemanden rauszuschmeißen.« Sie grinste mich an. »Viele behalten nur deshalb ihren Posten bei uns.«
Ich biß die Zähne zusammen. »Falls Sie damit auf mich anspielen: Ich brauche keine Almosen. Ich hatte bereits einen Job, bevor ich auf Ihre Leute traf.«
»Er sagt, Sie seien Privatermittler.«
Ich ging darauf ein. »Ich versuche, eine junge Musikerin namens Sophrona zu finden.«
»Ach! Wir dachten, es müsse was Politisches sein.«
Ich tat erstaunt. Am Thema Sophrona festhaltend, fuhr ich fort: »Wenn ich sie finde, gibt’s einen schönen Batzen Geld. Bisher weiß ich nur, daß sie Wasserorgel spielt und mit einem Mann aus der Dekapolis zusammen ist, der vermutlich Habib heißt.«
»Der Name sollte Ihnen weiterhelfen.«
»Ja, das hoffe ich. Die Dekapolis als Region klingt ein bißchen vage, zu riesig, um ohne Hinweis wie ein Prophet durch die Wüste zu wandern.«
»Für wen suchen Sie das Mädchen denn?«
»Was glauben Sie? Für denjenigen, der für ihre Ausbildung bezahlt hat.«
Phrygia nickte; sie wußte, daß eine ausgebildete Musikerin viel Geld wert war. »Was passiert, wenn Sie das Mädchen nicht finden?«
»Dann springt nichts für mich raus.«
»Wir können Ihnen bei der Suche helfen.«
»Das klingt wie ein fairer Tausch. Darum habe ich diese Stelle ja angenommen. Sie helfen mir, wenn wir in die Dekapolis kommen, und selbst wenn mein Geschreibsel nicht viel taugt, werde ich im Gegenzug mein Bestes tun, um Ihren Mörder zu finden.«
Die Schauspielerin zitterte. Es sah echt aus. »Einer von uns … Jemand, den wir kennen …?«
»Ja, Phrygia. Jemand, mit dem Sie essen; ein Mann, mit dem vermutlich jemand schläft. Jemand, der zu spät zur Probe kommt, aber beim Auftritt Gutes leistet. Jemand, der freundlich zu Ihnen war, Sie zum Lachen gebracht hat, Sie manchmal ohne ersichtlichen Grund bis zum Hades irritiert hat. Kurz gesagt, jemand wie alle anderen aus der Truppe.«
»Das ist entsetzlich!« rief Phrygia.
»Das ist Mord«, sagte ich.
»Wir müssen ihn finden!« Es klang, als wolle sie mir nach Kräften helfen. (Nach meiner Erfahrung bedeutete es allerdings, daß diese Frau mir bei meinen Ermittlungen wahrscheinlich nur Knüppel zwischen die Beine werfen würde.)
»Wer haßte ihn, Phrygia? Ich suche nach einem Motiv. Zu wissen, mit wem er Umgang hatte, könnte mir schon weiterhelfen.«
»Umgang? Er hat sein Glück bei Byrria versucht, doch sie wollte nichts mit ihm zu tun
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