Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Letzter Akt in Palmyra

Titel: Letzter Akt in Palmyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
Vom Netzwerk:
Doch auch hier waren enttäuschend wenig Anzeichen für die berühmte Fehde zwischen den Städten zu entdecken.
    Inzwischen verloren die Orte, die wir besuchten, zunehmend an Individualität. Dieser hier nannte sich Hauptstadt der Dekapolis, was nichts weiter zu bedeuten hatte, weil auch ein Großteil der anderen diesen Titel in Anspruch nahm; griechische Städte kennen keine Bescheidenheit. Skythopolis war so groß wie die anderen, kam allerdings jemandem, der Rom gesehen hatte, nicht übermäßig groß vor.
    Für mich unterschied sich Skythopolis jedoch deutlich von den anderen. Ein Aspekt dieser Stadt hatte mich einerseits hergezogen, andererseits aber auch mit einem gewissen Bangen erfüllt: Während des jüdischen Aufstands hatte Vespasians fünfzehnte Legion hier ihr Winterquartier aufgeschlagen. Diese Legion hatte inzwischen die Provinz verlassen und war nach Pannonia verlegt worden, nachdem ihr Kommandeur sich zum Kaiser erklärt hatte und nach Rom zurückgeeilt war, um ein bedeutenderes Schicksal zu erfüllen. Selbst jetzt schien Skythopolis immer noch mehr römische Atmosphäre auszustrahlen als der Rest der Dekapolis. Die Straßen waren in hervorragendem Zustand. Es gab ein fabelhaftes Badehaus, das für die Truppen gebaut worden war. Läden und Marktstände akzeptierten nicht nur eigenes Münzgeld, sondern auch Denarii. Wir hörten mehr Latein als sonstwo im Osten. Kinder, deren Gesichtszüge mir verdächtig vertraut vorkamen, wälzten sich im Staub.
    Diese Atmosphäre setzte mir mehr zu, als ich zugeben wollte. Das hatte seinen Grund. Ich hatte ein großes Interesse an der militärischen Vergangenheit der Stadt. Mein Bruder Festus hatte in der fünfzehnten Apollinaris gedient, sein letzter Posten, bevor er zu einem der Todesopfer Judäas wurde. In dem Jahr, bevor er starb, mußte Festus hier gewesen sein.
    Und so hat sich Skythopolis in mein Gedächtnis eingebrannt. Ich verbrachte viel Zeit damit, allein herumzuwandern und nachzudenken.

XXXIV
    Ich war betrunken.
    Ich war so betrunken, daß selbst ich nicht so tun konnte, als hätte ich es nicht bemerkt. Helena, Musa und ihr Gast, die am Feuer vor unserem Zelt saßen und auf meine Heimkehr warteten, mußten die Lage sofort erkannt haben. Während ich vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzte, wurde mir klar, daß ich meine ersehnte Schlafstätte nicht unbeobachtet erreichen würde. Sie hatten mich kommen sehen; jetzt konnte ich nur noch versuchen, die Sache so würdevoll wie möglich durchzustehen. Sie beobachteten jeden meiner Schritte. Ich mußte aufhören, mir Gedanken darüber zu machen, und mich darauf konzentrieren, den Rest aufrecht zu bewältigen. Das verwischte Flackern, das wohl das Feuer sein mußte, warnte mich, daß ich vermutlich mit dem Gesicht voran in die brennenden Scheite fallen würde.
    Dank zehn Jahre ausschweifenden Lebens schaffte ich es mit einem, wie ich mir einbildete, unbekümmerten Gang bis zum Zelt. Wahrscheinlich so unbekümmert wie ein eben flügge gewordener Vogel, der von der Dachtraufe fallt. Sie enthielten sich jeden Kommentars.
    Ich hörte es eher als daß ich sah, wie Helena aufstand; dann fand mein Arm seinen Weg um ihre Schultern. Sie half mir, an unserem Gast vorbeizutappen und aufs Bett zu purzeln. Natürlich rechnete ich mit einer Gardinenpredigt. Ohne ein Wort brachte sie mich dazu, mich aufzusetzen und viel Wasser zu trinken.
    Zwei Jahre mit mir hatten Helena so einiges gelehrt. Vor zwei Jahren war sie eine strenge Furie gewesen, die einen Mann in meiner Verfassung verächtlich zurückgewiesen hätte; jetzt half sie ihm, Vorkehrungen gegen einen Kater zu treffen. Zwei Jahre zuvor war sie noch nicht mein und ich verloren gewesen …
    »Ich liebe dich!«
    »Das weiß ich.« Sie hatte leise gesprochen. Nun zog sie mir die Stiefel aus. Ich hatte auf dem Rücken gelegen; sie rollte mich auf die Seite. Mir war das egal, weil ich sowieso nicht wußte, wo oben und unten war, aber sie achtete darauf, damit ich nicht erstickte, falls mir schlecht wurde. Sie war wunderbar. Eine vollkommene Gefährtin.
    »Wer ist das da draußen?«
    »Congrio.« Ich verlor das Interesse. »Er hat dir eine Botschaft von Chremes gebracht, wegen des Stückes, das wir hier aufführen.« Ich verlor auch jegliches Interesse an Stücken. Helena fuhr ruhig fort, als sei ich völlig zurechnungsfähig. »Wir haben ihn nie nach dem Abend befragt, als Ione starb, deshalb lud ich ihn ein, sich zu Musa und mir ans Feuer zu setzen und auf dich zu

Weitere Kostenlose Bücher