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Letzter Akt in Palmyra

Titel: Letzter Akt in Palmyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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warten.«
    »Congrio …« Nach Art der Betrunkenen war ich noch einige Sätze zurück. »Den habe ich ganz vergessen.«
    »Das scheint Congrios Schicksal zu sein«, murmelte Helena. Sie öffnete meinen Gürtel, stets ein erotischer Moment; verschwommen genoß ich die Situation, obwohl ich unfähig war, darauf mit dem üblichen Eifer zu reagieren. Sie zog am Gürtel, und ich drückte meinen Rücken hoch, damit sie ihn unter mir wegziehen konnte. Warm durchströmten mich die Erinnerungen an andere Gelegenheiten wie diese, in denen ich nicht so weggetreten war.
    In einer Krise handelte Helena entschlossen und ohne Worte. Unsere Augen trafen sich. Ich schenkte ihr das hilflose Lächeln eines Mannes in den Händen einer wunderschönen Krankenschwester.
    Plötzlich beugte sie sich vor und küßte mich, obwohl das nicht sehr angenehm sein konnte. »Schlaf jetzt. Ich kümmere mich um alles«, flüsterte sie.
    Als sie sich aufrichten wollte, hielt ich sie fest. »Tut mir leid, Süße. Ich mußte was erledigen …«
    »Ich weiß.« Der Gedanke an meinen Bruder hatte ihr Tränen in die Augen getrieben. Ich wollte ihr weiches Haar streicheln, aber mein Arm schien unmöglich schwer und ich versetzte ihr fast einen Hieb gegen die Schläfe. Helena sah das kommen und griff nach meinem Handgelenk. Als ich mit dem Gefuchtel aufgehört hatte, legte sie meinen Arm wieder ordentlich an meine Seite. »Schlaf jetzt.« Sie hatte recht; das war das Sicherste. Doch sie spürte mein stummes Flehen, kam im letzten Moment nochmal zurück und küßte mich rasch auf den Kopf. »Ich liebe dich auch.« Danke, mein Herz.
    Was für ein Schlamassel. Warum mußten einsame, tiefschürfende Gedanken so unweigerlich zu einer Amphore führen?
    Ich lag ganz still, während das verdunkelte Zelt um mich herum schwankte und es in meinen Ohren brummte. Jetzt, wo ich zusammengeklappt war, wollte der Schlaf, nach dem ich mich so gesehnt hatte, nicht kommen. Also lag ich in meinem benebelten Kokon aus Jammer und Elend und hörte den Ereignissen am Feuer zu, an denen ich nicht teilhaben konnte.

XXXV
    »Marcus Didius ist beschäftigt.«
    Mit dieser knappen Entschuldigung nahm Helena anmutig wieder Platz. Weder Musa noch der Wandschreiber sagten etwas dazu.
    Die drei Figuren hoben sich dunkel gegen das Feuer ab. Musa beugte sich vor und legte Holz nach. Als die Funken aufsprühten, erhaschte ich einen Blick auf sein junges, ernstes Gesicht, und ein harziger Geruch wehte zu mir herein. Wie oft mein Bruder Festus wohl Abende wie diesen verbracht und dem gleichen Rauch endloser Feuer nachgeschaut hatte, die sich in der Dunkelheit des Wüstenhimmels verloren?
    Ich war allerdings beschäftigt. Hauptsächlich mit dem Tod. Das machte mich ungeduldig.
    Der Tod eines Menschen hat unberechenbare Auswirkungen. Politiker und Generäle müssen das außer acht lassen, genau wie Mörder. Einen Soldaten in der Schlacht zu verlieren – oder einen unangenehmen Stückeschreiber zu ertränken und eine unerwünschte Zeugin zu erdrosseln –, wirkt sich unweigerlich auf andere aus. Heliodorus und Ione waren irgendwo zu Hause. Langsam würde die Nachricht ihren Weg dorthin finden und häusliche Verwüstung anrichten die endlose Suche nach rationalen Erklärungen; der permanente Schaden, den andere dadurch nahmen.
    Zur gleichen Zeit, als ich mir erbittert schwor, der Gerechtigkeit zu ihrem Recht zu verhelfen, sagte Helena Justina zu Congrio: »Wenn du mir die Botschaft von Chremes für Falco gibst, werde ich sie ihm morgen ausrichten.«
    »Wird er denn arbeiten können?« Congrio war wohl die Art Bote, der am liebsten mit einem pessimistischen »Es läßt sich nicht machen« zu seinem Auftraggeber zurückkehrt. Er hätte gut in einer schäbigen Hinterhofwerkstatt Wagenräder flicken können.
    »Die Arbeit wird erledigt«, erwiderte Helena mit fester Stimme. Ein optimistisches Mädchen! Ich würde morgen kaum fähig sein, eine Schriftrolle anzusehen, vom Schreiben ganz zu schweigen.
    »Na gut, es sollen Die Vögel sein«, sagte Congrio. Ich hörte teilnahmslos zu, konnte mich nicht erinnern, ob das ein Stück war, ob ich es je gelesen hatte und wenn ja, was ich davon hielt.
    »Aristophanes?«
    »Wenn Sie es sagen. Ich schreibe nur die Ankündigungen. Die mit den kurzen Namen sind mir am liebsten; braucht weniger Kreide. Wenn das der Name von dem ist, der das Stück geschrieben hat, laß ich ihn weg.«
    »Das ist ein griechisches Stück.«
    »Stimmt. Lauter Vögel. Chremes sagt, das wird

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