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Letzter Akt in Palmyra

Titel: Letzter Akt in Palmyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Kostüm (die wiederum Nägel für einen der Bühnenarbeiter hielt, der eine beschädigte Kulisse reparierte). Mein Mädchen biß den Faden ab, ohne sich um ihre Zähne zu kümmern. »Warum glauben Sie, daß die Leute im Osten Geschmack an solchen Scheußlichkeiten haben, Tranio?«
    »Weil es so ist«, sagte er. »Haben Sie von der Schlacht bei Carrhae gehört?« Diese Schlacht war eines von Roms berühmtesten Desastern. Mehrere Legionen, von Crassus angeführt, waren von den legendären Phrygiern hingemetzelt worden, unsere Außenpolitik lag für Jahrzehnte in Trümmern, der Senat war außer sich, und dann war das Leben weiterer plebejischer Soldaten auf Expeditionen zur Rückeroberung verlorener militärischer Positionen geopfert worden – das Übliche eben. »Am Abend nach ihrem Sieg bei Carrhae«, erzählte uns Tranio, »setzten sich die Phrygier und Armenier hin und sahen sich Die Bakchen von Euripides an.«
    »Schwere Kost, aber ein Abend im Theater scheint mir eine durchaus respektable Art, einen Sieg zu feiern«, meinte Helena.
    »Was?« rief Tranio erbittert. »Wenn dabei der abgeschlagene Kopf von Crassus über die Bühne gekickt wurde?«
    »Juno!« Helena wurde blaß.
    »Das einzige, was den Leuten noch besser gefallen würde«, fuhr Tranio fort, »wäre Laureolus mit einem Räuberkönig, der im letzten Akt lebendig gekreuzigt wird.«
    »Hat es schon gegeben«, warf ich ein. Wahrscheinlich wußte er das. Wie Grumio, schien auch er ein eifriger Schüler der Theatergeschichte zu sein. Ich wollte gerade eine Diskussion anfangen, doch er ging auf Abstand zu mir und verschwand.
    Helena und ich wechselten einen nachdenklichen Blick. Hatte Tranios Entzücken an diesen schauerlichen Theaterdetails mit seiner eigenen Verwicklung in Gewalttätigkeiten zu tun? Oder war er ein Unschuldiger, den die Todesfälle der Truppe mitgenommen hatten?
     
    Unfähig, seine Haltung zu durchschauen, vertrieb ich mir die Zeit bis zum Beginn der Aufführung damit, in der Stadt nach Thalias Musikerin zu fragen, wie üblich ohne Erfolg.
    Das bot mir jedoch die unerwartete Gelegenheit, ein paar Nachforschungen über den so rätselhaften Tranio anzustellen. Als ich zum Lager zurückschlenderte, lief mir zufällig seine Freundin Afrania, die Tibiaspielerin, über den Weg. Sie hatte Schwierigkeiten, sich einer Bande pellanischer Jugendlicher zu erwehren, die ihr folgte. Ich konnte ihnen keinen Vorwurf machen, denn sie war ein knackiger Leckerbissen mit der gefährlichen Angewohnheit, jedes männliche Wesen so anzusehen, als wolle sie von ihm nach Hause gebracht werden. Diese Jungs hatten so etwas noch nie gesehen; selbst ich hatte so etwas noch nicht oft erlebt.
    Ich sagte den Bürschchen zunächst ganz freundlich, sie sollten sich verpissen, und als das nichts half, griff ich zu altmodischer Diplomatie: Ich bewarf sie mit Steinen, und Afrania schrie ihnen Beleidigungen zu. Diesen Wink mit dem Zaunpfahl kapierten sie; wir gratulierten uns zu unserem Stil und gingen dann gemeinsam weiter, falls die Rowdies Verstärkung fanden und uns erneut folgten.
    Als sie wieder zu Atem gekommen war, schaute sie mich plötzlich an. »Es war die Wahrheit, wissen Sie.«
    Ich konnte mir denken, was sie meinte, spielte aber den Ahnungslosen. »Was meinen Sie?«
    »Tranio und ich. Er war in der Nacht wirklich bei mir.«
    »Wenn Sie es sagen.«
    Da sie sich entschlossen hatte, mit mir zu reden, schien es sie zu ärgern, daß ich ihr nicht glaubte. »Ach, machen Sie doch nicht so ein Gesicht, Falco!«
    »Na gut. Als ich mit Ihnen sprach, hatte ich den Eindruck«, erklärte ich ihr offen, »daß da etwas Seltsames im Gange war.« Bei Mädchen wie Afrania spiele ich immer gern den Mann von Welt. Ich wollte ihr klarmachen, daß ich die gereizte Stimmung bemerkt hatte.
    »Das lag nicht an mir«, versicherte sie selbstsicher und warf ihre wirren schwarzen Locken mit einer Geste zurück, die ihre kaum bedeckten Brüste zum Hüpfen brachte.
    »Wenn Sie das sagen.«
    »Nein, wirklich. Das war dieser Idiot Tranio.« Ich enthielt mich jeden Kommentars. Wir näherten uns dem Lager. Ich wußte, daß ich kaum eine zweite Gelegenheit bekommen würde, um Afrania zu überreden, sich mir anzuvertrauen; ich würde sie sicher nicht nochmal vor irgendwelchen Männern retten müssen. Normalerweise akzeptierte Afrania jeden, der kam.
    »Wenn Sie es sagen«, wiederholte ich mit skeptischem Ton. »Wenn er bei Ihnen war, kann er Ione nicht ermordet haben. In dem Punkt würden Sie

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