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Letzter Akt in Palmyra

Titel: Letzter Akt in Palmyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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alle aufmuntern. Sie können Federkostüme anziehen, rumhüpfen und krähen.«
    »Wird irgend jemand den Unterschied zu sonst sehen?« witzelte Helena. Ich fand das unglaublich komisch. Selbst Musa kicherte, obwohl er vernünftig genug war, sich ansonsten rauszuhalten.
    Congrio nahm ihren Witz für bare Münze. »Kaum. Ob ich wohl Vögel auf die Ankündigung malen kann? Ich würd’s gern mal mit Geiern versuchen.«
    Ohne darauf einzugehen, fragte Helena: »Was will Chremes denn von uns? Keine vollständige Übersetzung ins Lateinische, hoffe ich?«
    »Hat Ihnen wohl Bange gemacht, was?« gluckste Congrio, obwohl Helena ganz ruhig war (außer einem leichten Schauder, als sie von seinen künstlerischen Plänen hörte). »Chremes sagt, wir spielen’s auf Griechisch. Sie haben die Schriftrollen in Ihrer Kiste, sagt er. Die sollen durchgesehen und aufgemöbelt werden, falls die Späße zu athenisch sind.«
    »Ja, das Stück liegt in der Kiste. Das wird kein Problem sein.«
    »Sie meinen, Ihr Mann da drinnen kann es schaffen?«
    »Mein Mann da drinnen kann alles schaffen.« Wie die meisten Mädchen mit strenger moralischer Erziehung log Helena hervorragend. Auch ihre Loyalität war beeindruckend, wenn auch etwas trocken im Ton. »Was machen wir wegen all dieser ausgefallenen Schnabel-und-Feder-Kostüme, Congrio?«
    »Das gleiche wie immer. Die Darsteller müssen sie bei Chremes ausleihen.«
    »Hat er denn Vogelkostüme?«
    »Aber ja. Wir haben das Stück vor ein paar Jahren schon mal aufgeführt. Aber wer nähen kann«, drohte er fröhlich, »sollte sich lieber darauf einstellen, eine Menge Federn anzunähen!«
    »Vielen Dank für die Warnung. Leider habe ich gerade eine scheußliche Nagelbettentzündung am rechten Zeigefinger.« Die Entschuldigung kam Helena glatt über die Lippen. »Ich muß also verzichten.«
    »Sie sind mir so eine!«
    »Nochmals danke.«
    Ihrer Stimme konnte ich anhören, daß Helena nun meinte, genügend Einzelheiten zu meinem Schreibauftrag zu haben. Es waren nur kleine Anzeichen, aber für mich erkennbar aus der Art, wie sie sich vorbeugte, ein paar Zweige ins Feuer warf, sich dann zurücklehnte und ihr Haar unter einen ihrer Kämme zurückstrich. Das alles markierte eine Pause. Sie war sich dessen wahrscheinlich gar nicht bewußt.
    Musa spürte die Veränderung in der Atmosphäre, zog sich weiter unter sein um den Kopf geschlungenes Tuch zurück, und überließ Helena das Verhör des Verdächtigen.
    »Wie lange bist du schon bei Chremes und seiner Truppe, Congrio?«
    »Weiß nicht … ein paar Spielzeiten. Seit sie in Italien waren.«
    »Hast du stets die gleiche Aufgabe gehabt?«
    Congrio, der oft wortkarg wirkte, schien jetzt ganz scharf darauf, zu erzählen. »Ich mache immer die Ankündigungen.«
    »Das erfordert einiges Können, nicht wahr?«
    »Genau! Außerdem ist es wichtig. Wenn ich es nicht mache, kommt keiner zum Zuschauen, und wir verdienen nichts. Der ganze Haufen hängt von mir ab.«
    »Das ist ja wunderbar! Was mußt du dabei machen?«
    »Den Gegner täuschen. Ich weiß, wie ich durch die Straßen witschen kann, ohne aufzufallen. Man muß Bescheid wissen und die Ankündigungen möglichst schnell malen – bevor einen die Einheimischen entdecken und rummaulen, daß man ihre Hauswände ruiniert. Die wollen doch nur Werbung für ihre Lieblingsgladiatoren und obszöne Zeichnungen für die Bordelle. Man muß sich heimlich anschleichen. Ich weiß, wie’s gemacht wird.« Im Prahlen war er ebenfalls ein Experte. Durch Helenas Interesse angestachelt, gestand er dann: »Ich bin auch mal aufgetreten. Als wir damals Die Vögel gespielt haben.«
    »Hast du deswegen das Stück noch so gut im Kopf?«
    »Jawoll. Das war ’ne Sache! Ich war eine Eule.«
    »Du meine Güte! Und was mußtest du da machen?«
    »In dem Stück Die Vögel «, erklärte Congrio ernsthaft, »gibt es ein paar Szenen – wahrscheinlich die wichtigsten –, wo alle Vögel des Himmels auf die Bühne kommen. Und ich war die Eule.« Für den Fall, daß Helena noch nicht ganz begriffen hatte, fügte er hinzu: »Ich mußte ›uhuu, uhuu‹ machen.«
    Ich vergrub mein Gesicht im Kissen. Helena gelang es, sich das Lachen zu verkneifen, das mit Sicherheit in ihr brodelte. »Der Vogel der Weisheit! Was für eine Rolle!«
    »Erst sollte ich einer der anderen Vögel sein, aber Chremes ließ mich nicht, wegen des Pfeifens.«
    »Wieso das?«
    »Ich kann’s nicht. Konnte ich noch nie. Meine Zähne stehen falsch oder so.«
    Womöglich

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