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Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition)

Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition)

Titel: Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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sich, was dieser Schauspieler, den er nur flüchtig kennengelernt hatte, wohl von ihm wollte. „Was führt Sie also zu mir?“ fragte er.
    Als Erdmann Jansen in groben Zügen sein Räuber -Projekt dargelegt hatte, war Johannes so perplex, dass ihm auf Anhieb keine rechte Antwort einfallen wollte. Schließlich sagte er – ungläubig noch: „Verzeihen Sie bitteschön, wenn ich erst mal tief Atem schöpfen muss. Theater spielen..., das heißt: schauspielern ... äh, ich meine die Schauspielerei ... Nein, gottverdammich...“  
    „Die hehre Schauspielkunst, wolltest du sagen“, half der lächelnde Ältere bereitwillig aus.
    „Ganz recht. Also, ich habe schon einmal in einem Stück gespielt, aber nur die Titelrolle in Sergei Prokofieffs Peter und der Wolf , aber den ... der Karl Moor... Ich weiß nicht... Außerdem kann ich nicht sächseln; nein, entschuldigen Sie schon, aber ... ich ... Also...‚ ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll...“  
    Erdmann Jansen lächelte weiter. „Ich bitte dich, ich habe kaum erwartet, dass du gleich in Freudengeheul ausbrechen wirst; deine zurückhaltenden Ausführungen beweisen mir allein, dass du die Probleme eines solchen Unterfangens richtig einzuschätzen weißt. Ich schlage daher vor, du schaust dir die Rolle erst einmal unverbindlich an, ein Textbuch habe ich dir schon mal mitgebracht.“
    Damit reichte er Johannes das zerfledderte Reclam-Büchlein, das der Junge zögernd annahm. „Mir ekelt vor diesem tintenklecksenden Säkulum“, bemerkte der zitierend unter dem freundlichen Blick des Älteren, der einen Satz des Spiegelberg zurückgab: „Meinst du, deine Stinkereien in Leipzig machen die Grenzen des menschlichen Witzes aus?“
    Johannes griente breit: „Wollte sagen: Die Broschur hat auch schon mal bessere Zeiten erlebt, wa? Und das gesamte Drama ist darin enthalten? Ich muss das ganze Werk studieren können, bevor ich...“
    „Ich habe das Stück bereits eingestrichen“, nickte Erdmann Jansen und ging ins Kopfschütteln über, „so dass du dich durch Weitläufigkeiten wirklich nicht unnötig beschweren musst. Die Regieanmerkungen des jungen Schiller zu schwärzen, widerstrebt mir, am besten du ignorierst sie einfach! Bilde dir lieber aus den Gedanken, die der Leipziger Student Karl ausspricht, ein Urteil über seine Geisteshaltung und aus seinen Taten ein Bild seines Charakters; weiterhin ist alles, was die anderen in seiner Abwesenheit über ihn sagen, insofern keineswegs unwichtig. Wähle dir endlich die eine oder andere Szene aus, die dich besonders interessiert, und sprich sie – meinetwegen halblaut, aber vernehmlich – vor dich hin, damit du ein Gefühl für die verschiedenen Ausdrucksmöglichkeiten bekommst.“ Er sah Johannes mit Wärme, aber auch nachdrücklich in die Augen, hob die Schultern und ließ sie wieder fallen, wobei er sein freundliches Lächeln beibehielt. „Tja, das wär´s erst einmal!“ Und es wurde verabredet, dass Johannes den Regisseur in der Kuhle Wampe anrufen sollte, sobald er sich entschieden hätte.  
     
    Als die beiden Besucher gegangen waren, vertiefte sich Johannes sofort in die Lektüre, und der Dialog in der ersten Szene zwischen Karl und Spiegelberg in der Schenke sagte ihm auf Anhieb zu. In der Schule war das Drama ja in letzter Zeit nur noch insoweit gefragt und behandelt, als man mit dem Zeigefinger gen Westen deutend erklären konnte, dass der Kapitalismus dieses Revoluzzer-Stück als eine Jugendsünde des Klassikers wohlwollend entschuldigend abtat; der real existierende Sozialismus entbehrte nunmehr angeblich der gesellschaftlichen Veranlassung ebenso wie der Staffage und Kulisse für die Pastor-Szenen und das Jüngste Gericht. Johannes hatte den Klassiker über den jenseitigen Kulturkanal flimmern sehen und las ihn jetzt zum ersten Mal mit den Augen eines künftigen Darstellers. Es wurde ihm freilich zunächst einmal ordentlich angst und bang. Wie sollte er das bloß sprechen, ohne in übertriebenes Pathos zu verfallen? Die feurige Sprachgewalt entflammte gewiss, erregte und riss mit. Doch wenn er probeweise ein paar Sätze vor sich hin sagte, verhalten erst, dann immer vernehmlicher, wie Erdmann Jansen ihm geraten hatte, so klang es unnatürlich und geschraubt. Wie leicht dagegen war der Claudio vom Hofmannsthal vorzutragen, dachte er seufzend.
    Darauf las er das gesamte Stück, später jede Szene des Karl Moor mehrere Male und deklamierte sie wieder und wieder halblaut vor sich hin. Oft genug war er

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