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Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition)

Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition)

Titel: Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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der rechten sein Ohrläppchen, was er beides hasste und ebenso deplatziert fand wie genierlich vor all den Leuten. Sie schaute ihrem Großneffen zart, aber tief in die Augen, wobei sie halblaut murmelte: „Armer Junge, der liebe Papa. Er war so stolz auf dich! Jetzt musst du eben deine Mamma und dein Schwesterchen beschützen!“, ehe sie Ohr und Kinn des bis unter die Haarwurzeln Errötenden freigab, aber nicht ihn selber, den sie statt dessen an ihren gewaltigen Busen drückte, ihm ihr weiches Fleisch warm an Wange und Brust zu fühlen gab und ihn dabei umfing mit einer Wolke zudringlichen Parfüms, die jedoch ihre Ausdünstung schwül-klebrigen Schweißes kaum zu überdecken vermochte und ihm fast den Atem raubte. Und zu allem Überfluss musste sie ihn mit ihren feuchten Lippen auch noch mitten auf den Mund küssen! Heilfroh japste er nach Luft, als die Tante endlich von ihm ablassen musste, da die anderen Trauergäste nachdrängten, sich kondolierend zu verabschieden.
    Gustav dachte noch darüber nach, wie sich Tante Claudia eigentlich seine Beschützerrolle vorstellen mochte, als Onkel
    Heinz und das Künstlerehepaar hinzutraten. Für die altväterliche Art des arbeitslosen Mimen, ihm wortreich sein Beileid auszudrücken, entschädigte ihn die aller Herablassung bare Freundlichkeit der Diva, mit der sie ihm stumm die Hand drückte und dabei liebevoll ansah, was genügte, um seinen Träumen von künftigem Liebes- und Schauspielerglück neue Nahrung zu geben.
    Onkel Heinz zerrüttete seine Wunschträume, indem er ihm zuflüsterte, zu seiner Mutter gesagt zu haben, mit welcher
Freude er nächstens ihrer beider Besuch erwarte. „Am besten“, schloss er, „du meldest dich einen Tag vorher, möglichst persönlich in meinem Atelier, damit wir eine Zeit festmachen können.“
    Gustav bedankte sich und schaute dem sich Entfernenden nach, wobei er überlegte, ob ein schlichter Telefonanruf nicht auch hinreichend seinen Zweck erfüllte.
    Seine Mutter zupfte ihn sanft am Ärmel, ihm so bezeichnend, mit ihr und der Schwester noch einmal ans Grab zu treten, um zu beten. Sie hob ihren Schleier und bekreuzigte sich. Auch Gustav hielt seine Hände gefaltet, aber er betete nicht, während er in die Grube stierte. Von dem großen Strauß weißer Freesien schauten nur noch wenige Blüten aus dem Erdhügelchen heraus, und er sehnte sich nach dem Schatten der Bäume an der Friedhofsmauer, weil die drückende Schwüle dieses ungewöhnlich warmen Herbstes die Blumen und Kränze, die jenseits des Grabes zu einem Hügel aufgetürmt lagen, einen betäubenden Duft verströmen ließ, der den jungen Mann schwindeln machte, so dass er für Augenblicke die Augen schließen musste.
    Erst die Bewegung der sich wieder bekreuzigenden Mutter schreckte ihn auf, auch das leise Gebetmurmeln der Schwester verstummte, als sie alle gemeinsam sich mit einem letzten langen Blick von dem Toten verabschiedeten. Die sich schließlich zum Gehen wendende Familie ohne Oberhaupt wurde von den wartenden Anverwandten in die Mitte genommen.
    Auf der Hauptallee des Kirchhofes kamen sie vorbei an den Gräbern von Heinrich Mann, Arnold Zweig und Hanns Eisler, auch an der letzten Ruhestatt Georg Wilhelm Friedrich Hegels.
Diesem gegenüber sah Gustav schon von weitem Onkel Heinz mit der Diva und Müller-Eisner am Grabe des Philosophenschülers stehen und vernahm im Nähertreten die Rede der Schauspielerin: „Einer unserer genialsten Dramatiker und meisterhaftesten Lyriker.“ – „Jawoll!“ pflichtete ihr Gatte brummend bei.
    „Mir klingt sein Sarkasmus, der bei B. B. immer einen Triumph verschleierte, noch manifest in den Ohren: `Mit denen wäre es nie was geworden.´“ - Die Diva hakte sich fester ein bei ihrem Mann und flötete: „Als wäre er dabei gewesen, nicht wahr?!“
    Gustav, der förmlich an ihren Lippen hing, konnte der Fachsimpelei nicht länger folgen, da ihn die Mutter behutsam, aber entschieden mit sich zog.
    Am Friedhofstor angelangt, konnte Gustav weder an der Bushaltestelle noch am Taxistand, wo ein einzelner, streikbrecherischer Mietwagen harrte, seinen Freund Johannes von Bruyère ausmachen, den er seit dem Verlassen der Kirche nicht mehr gesehen hatte. Statt seiner bemerkte er die hagere Riesengestalt von Klassenkamerad Wilhelm Widulle und an seiner Seite die Gelegenheitswerktätige Michaela Schumann, die die Witwe mit einem schüchternen „Guten Tag, Frau Patzke“ begrüßte, während der geiernasige Willi nur einen stummen und etwas

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