Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition)
heftige Poltern und sein unfrommes Fluchen, da er offenbar über eine Stufe gestolpert und hingefallen war. Auch hernach verhielt er sich keineswegs leise, sondern knallte die Haustür zu und vergaß abzuschließen, bevor er sich an der Tür zu seinem Zimmer zu schaffen machte; währenddessen brabbelte er die ganze Zeit über ohne Unterlass vor sich hin, aus welchem eindeutigen Benehmen Michaela zweifellos schloss, dass Kloczowski etliches über den Durst getrunken haben musste. Und obwohl er seine Zimmertür ebenso geräuschvoll hinter sich zuschlug, hielt sie es doch für ratsam, das Licht zu löschen, um ihm nicht durch einen Lichtschimmer zu erkennen zu geben, dass sie noch wach war. Sacht zog sie die Schlafzimmertür hinter sich zu und kroch schnell unter ihre Bettdecke, zog sie unter die Nase.
Sie vernahm nur noch gedämpft sein Rumoren, bevor wieder Stille eintrat im Haus. Erleichtert atmete die junge Frau auf, lauschte noch einmal in den Raum und schlief allmählich ein, da die Müdigkeit sie schließlich übermannte.
Sie konnte noch nicht sehr lange geschlafen haben, als sie jäh von einem Geräusch geweckt wurde, das sie verschlafen so deutete, dass ein schwerer Gegenstand umgefallen sein musste.
Schlaftrunken noch zwang sie sich, angestrengt zu horchen, und glaubte schon, da sich nichts rührte, geträumt zu haben, als plötzlich heftig an die Küchentür gebummert wurde und jemand ihren Namen rief. Im Nu war sie hellwach und richtete sich auf; abermals wurde mit der Faust an die Küchentür gehämmert, und sie hörte ihren Untermieter mit belegter Stimme rufen: „Michaila...‚ aufmachen! Michaila...‚ aufmachen!“
Das war etwas, was er noch nie getan hatte: Wenn er sie so beim Vornamen rief, musste er ordentlich betrunken sein. Als sie ihn schon auffordern wollte, gefälligst den Krach zu unterlassen, damit er die Kinder oben nicht aufwecke, fiel ihr zu ihrer nicht geringen Bestürzung ein, dass sie es nach Janines Weggang unterlassen hatte, die Küchentür abzuschließen, was sie sich als Wohnungsgeberin zur Gewohnheit gemacht, jetzt aber vergessen hatte; und für die Schlafzimmertür fehlte seit jeher der passende Schlüssel.
Sie verwünschte ihre Schusseligkeit und konnte nur hoffen, er werde seine Versuche schon aufgeben, wenn sie sich bloß nicht rührte. Doch da täuschte sie sich gewaltig: Sie hörte Kloczowski die Klinke herunterdrücken und die Tür öffnen sowie anschließendes Gläserklirren. Der Warschauer schien überrascht, die Küchentür offen und sich im Dunkeln zu finden, denn einige Augenblicke verhielt er sich mucksmäuschenstill, ehe er wieder geräuschvoll atmend vor sich hin zu brummen begann und ihren Namen rief. Seine heranschlurfenden Schritte erschreckten sie heillos. „Komm, trink Wodka mit mir“, murmelte er. In ihrer Angst verkroch sich Michaela unter ihr Deckbett und beschloss, sich schlafend zu stellen. Da er jedoch minutenlang, wie es schien, vor der Schlafzimmertür verharrte, ständig seine Aufforderungen hartnäckig wiederholend, ließ sie sich zu dem Fehler verleiten, endlich mit müde gestellter Stimme zu fragen: „Was ... ist ... denn ... los? Wer ... ist denn ... da?“
Das wiederum veranlasste den Warschauer, statt einer Antwort eine weitere Klinke niederzudrücken und die Tür aufzustoßen. Er lehnte sich krumm an den Pfosten, die junge Frau sah seine Schattenhand eine Schnapsflasche schwenken; mit der Linken klingelte er mit dem Wasserglas, das er über den Flaschenhals gestülpt hatte. Ein Lichtstreifen, den der Vollmond ins Zimmer warf, fiel auf den nächtlichen Besucher, und Michaela konnte sehen, dass er schon den Schlafanzug an hatte. Sie musste alles versuchen, ihn zum Rückzug zu bewegen, und mimte weiter die Verschlafene.
„Ich bin so müde, Herr Kloczowski! Ich bitte Sie, lassen Sie mich schlafen, morgen trink ich mit Ihnen ... Kaffee.“
Sie drehte sich um, ihm den Rücken zukehrend, und tat so, als wolle sie weiterschlafen. Der Warschauer hingegen dachte bei Weitem nicht daran, etwa das Zimmer zu verlassen, er trat näher und stellte sich direkt vor ihr Bett. Michaelas Herzschlag raste, sie wurde das Gefühl nicht los, im nächsten Moment von seiner Hand berührt zu werden. So drehte sie sich wieder um und setzte sich auf, wobei sie die Bettdecke über die Brust bis zum Hals zog, wo die Schlagader wild pulsierte. Mit Mühe ihren inneren Erregungszustand verbergend, sagte sie hastig: „Was machen Sie denn für Geschichten, Herr
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