Letzter Gipfel: Ein Altaussee-Krimi (German Edition)
Doktor nun, „ich möchte mich nochmals für die kleine Notlüge von gestern entschuldigen. Sie haben uns sehr geholfen, herzlichen Dank.“ Die Frau Doktor erhob sich von ihrer Bank und bedeutete Gasperlmaier und dem Friedrich, ihr zu folgen. Draußen auf der Terrasse saß ein Pärchen in der Sonne an der Hüttenwand, sonst war sie leer. Die meisten Bänke standen noch verkehrt herum auf den Tischen, niemand hatte wohl damit gerechnet, dass es heute noch so schön werden würde. „Meine Herren“, sagte die Frau Doktor zum wiederholten Mal, „da drinnen wären wir die nicht mehr losgeworden. Wir müssen jetzt allerschnellstens die beiden auftreiben, die Susi Schneider und den Herrn Magister Fritzenwallner. Am besten fahren wir zu ihrer Wohnung – wenn die Frau Reiter recht hat, sind sie vielleicht noch dort und vergnügen sich aneinander.“ Gasperlmaier fiel auf, dass die Frau Doktor mit keinem Wort erwähnte, dass sich sein Verdacht als begründet herausgestellt hatte – und dass sie selbst im Unrecht gewesen war, als sie seine Ahnung als Überreaktion seiner erotischen Fantasie abgetan hatte. Er würde sie bei Gelegenheit daran erinnern müssen.
Auf dem Parkplatz, unterhalb von dem die Leiche des Magister Eisel gefunden worden war, herrschte immer noch hektische Betriebsamkeit. Ein Großteil des Platzes war mit Plastikbändern abgesperrt, und aus den Augenwinkeln sah Gasperlmaier, dass ein Metallsarg gleich neben dem Leichenwagen stand. Fast tat der Magister Eisel Gasperlmaier leid. Obwohl es den Anschein gehabt hatte, dass die Ehe der Eisels ohnehin nicht mehr richtig funktionierte, hatte er Rache am Mörder seiner Frau üben wollen, wahrscheinlich den falschen erwischt und schließlich, völlig sinnlos, seinem eigenen Leben ein Ende gesetzt.
Ein paar Kehren weiter unten riss es Gasperlmaier plötzlich. Er hatte zwar die entgegenkommenden Fahrzeuge nicht genau beachtet, aber plötzlich war ihm so, als sei ihnen ein blitzblaues Cabrio mit offenem Verdeck begegnet. Irgendwo hatte er so ein Fahrzeug in den letzten Tagen schon gesehen. Zwei, drei Kehren weiter unten erst dämmerte es ihm. Vorsichtshalber fragte er noch nach. „Was für ein Auto hat denn eigentlich der Herr Magister Fritzenwallner?“ „Einen Peugeot, ein blaues 207er Cabrio. Wir fahnden schon seit gestern danach.“ „Dann“, meinte Gasperlmaier, „sollten wir vielleicht umdrehen. So ein Auto ist nämlich gerade den Berg hinaufgefahren.“ „Was?“, schrie die Frau Doktor und stieg auf die Bremse, dass es Gasperlmaier nach vorne warf und er Angst bekam, es würde ihm wieder einmal ein Airbag um die Ohren fliegen. Es wäre in dieser Woche ja nicht das erste Mal gewesen. „Wie gibt es denn das, dass ich den übersehen habe!“, schimpfte die Frau Doktor. „Ich war wohl in Gedanken.“ Dabei drehte sie mitten auf der Straße so riskant um, dass Gasperlmaier Angst bekam, das Auto werde in den Abgrund stürzen. Instinktiv rief er „Aufpassen!“, als er vor sich nur noch den Altausseer See tief unter sich sehen konnte. Seine Füße stemmten sich gegen die Bodenplatte, als könne er dadurch zusätzliche Bremswirkung erzielen. „Na, na!“, beruhigte ihn die Frau Doktor mit einem kurzen Seitenblick. „Nicht gleich die Nerven wegschmeißen, Gasperlmaier, die werden sie jetzt noch brauchen, wenn er’s wirklich war. Es gibt ja schließlich mehr als ein blaues Cabrio, und ganz schön dreist wäre es schon, wenn er am Montag die eine Freundin vom Berg hinunterschmeißt und am Freitag schon wieder mit der nächsten hinaufklettert.“ „Dann“, so meinte Gasperlmaier“, sollten wir uns vielleicht beeilen. Wer weiß, was er mit der Susi vorhat!“ „Sie haben recht!“ Die Frau Doktor gab Gas und überholte einen Reisebus. Gasperlmaier schloss die Augen. Die Sicht bis zur nächsten Kurve, so fand er, hätte gerade ausgereicht, um einen Radfahrer zu überholen. Er öffnete die Augen erst wieder, als die Frau Doktor den BMW mit quietschenden Reifen in die nächste Kehre warf. Der Leichenwagen kam ihnen entgegen. Wenn der, so dachte Gasperlmaier bei sich, nur zehn Sekunden früher oben weggefahren wäre, dann hätten sie sich jetzt gleich zum Magister Eisel dazulegen können.
Erst als die ersten abgestellten Autos auf dem Parkplatz am Ende der Straße in Sicht kamen, ging die Frau Doktor vom Gas. „Sie schauen rechts, ich links!“, wies sie Gasperlmaier an. Doch bis zum hintersten Ende des Parkplatzes kam kein blaues Cabrio in Sicht. Sie
Weitere Kostenlose Bücher