Letzter Gipfel: Ein Altaussee-Krimi (German Edition)
wohlschmeckende, verdiente Jause so sehr in den Vordergrund, dass er bereit war, diesen Wunsch als absolut vordringlich anzusehen.
„Was machen wir jetzt?“, fühlte Gasperlmaier vorsichtig vor, während er den Wagen aufschloss. Die Frau Doktor ließ sich auf den Beifahrersitz plumpsen. „Ehrlich gesagt, Gasperlmaier, ich bin ein wenig ratlos. Der Fall wird uns kalt.“ Gasperlmaier sah sie fragend an. „Na ja, Sie wissen doch, wenn man in den ersten vierundzwanzig Stunden keinen wesentlichen Ermittlungsfortschritt macht, wird es immer schwieriger. Das Problem ist, wir haben keine richtigen Spuren. Weil wir eben auch keinen Tatort haben, im engeren Sinn. Und die Verdächtigen zerrinnen uns unter den Fingern. Der Magister Fritzenwallner hat wohl immer noch was mit ihr gehabt. Der aber war zum Tatzeitpunkt in der Schule. Bleibt uns der Ehemann – kein Alibi, aber auch keine wirklich schlagenden Indizien. Motiv, okay. Zwar da, überzeugt mich aber nicht. Gelegenheit hatte er, aber auf was hinauf sollten wir dem auf den Pelz rücken? Ich hab zwar schon Leute losgeschickt, die überall entlang der Strecke nachfragen, ob wer den Wagen des Magister Eisel am Montag gesehen hat, aber bisher hat sich absolut nichts ergeben.“
Gasperlmaier stellte fest, dass seine Halskrause bereits wieder säuerlich roch. Außerdem schwitzte er unter ihr. Das Ding musste weg, es musste auch so gehen. Er zerrte am Klettverschluss, was ihm sofort einen Stromstoß durch die Wirbelsäule jagte, der ihn aufstöhnen ließ. Die Frau Doktor sah ihn besorgt an. „Ist das wirklich eine gute Idee, das abzunehmen?“ „Ich halt’s nicht mehr aus!“, wurde Gasperlmaier ärgerlich. „Kommen Sie!“ Die Frau Doktor beugte sich zu ihm hinüber und löste den Klettverschluss. Gasperlmaier warf das Ding auf den Rücksitz. „Danke. Jetzt geht’s mir besser“, log er, denn er fühlte sich zwar befreit, sein Nacken schmerzte aber bei jeder kleinsten Bewegung heftig. Er nahm sich vor, den Kopf ruhig zu halten, und steckte den Zündschlüssel ins Schloss, ließ aber den Motor nicht an. Er hätte ja nicht gewusst, wohin er fahren sollte. Langsam begannen sich die Scheiben des Autos innen zu beschlagen. Die Frau Doktor starrte, wie Gasperlmaier bei einem schmerzhaften Seitenblick wahrnahm, ausdruckslos durch die Windschutzscheibe hinaus. „Wer, glauben Sie denn, dass es war?“, fragte Gasperlmaier. „Nach allem, was die Erfahrung lehrt, war es der Ehemann. Aber warum sollte sie mit ihm auf den Loser? Welchen Grund hätte sie gehabt? Er schon, aber sie?“ Gasperlmaier versuchte dem Gespräch eine Wendung zu geben: „Haben wir eigentlich schon was über die zweite Leiche?“ Die Frau Doktor seufzte. „Leider nicht. Das kann sich noch ziehen. Und die hat ja wohl mit dem Fall Eisel nichts zu tun, da gehen wir einstweilen nicht von Fremdverschulden aus. Was ich weiß, ist, dass sie zwischen fünfundzwanzig und vierzig Jahre alt war, kein Kind geboren hat und sich zweimal die Speiche am rechten Unterarm gebrochen hat. Viel ist das nicht!“
„Vielleicht holen wir uns einmal eine Jause?“, wagte Gasperlmaier einen Vorschlag. Die Frau Doktor lachte. „Ja, das ist eine gute Idee! Ich hab mir heute ohnehin nicht einmal Zeit für ein Frühstück genommen. Wie wär’s denn mit einem Kaffee und einem Croissant?“ Gasperlmaiers Laune verdunkelte sich. Kaffee und Croissant, das war nicht gerade das, was ihm als zünftige Jause vorschwebte, die einem wieder zu Kräften verhalf. Dennoch fügte er sich ins Unvermeidliche, seufzte kaum hörbar und startete den Motor.
Wenige Minuten später saßen Gasperlmaier und die Frau Doktor einigermaßen dampfend im Café Lewandofsky, denn die paar Schritte vom Parkplatz hierher hatten sie sich den blau-weißen Schirm der Frau Doktor teilen müssen. Es hatte wieder heftig zu regnen begonnen. Gasperlmaier war fast ein wenig warm ums Herz geworden, als sich die Frau Doktor bei ihm eingehängt hatte, um besser unter dem Schirm Platz zu finden. Die Frau Doktor hatte bereits ihr Croissant bestellt, Gasperlmaier jedoch hatte nicht widerstehen können und sich lieber ein Paar Würstel und ein Seidel Bier kommen lassen. Die ganze triste Sachlage und das grauenhafte Wetter verlangten, so fand Gasperlmaier, nach etwas Kräftigem, das er in einem Tässchen Kaffee und einem Kipferl, das ohne Lufteinschlüsse quasi gar nicht vorhanden gewesen wäre, einfach nicht zu erblicken vermochte.
„Ich glaube fast“, sagte die Frau Doktor,
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