Letzter Gruss - Thriller
verbunden worden, was dem Bau ein extrem uneinheitliches Aussehen verlieh. Der östliche Teil erinnerte an einen Disney-Palast, der südliche sah aus wie dem Funktionalismus entsprungen, der nördliche glich einem Betonkoloss und der westliche war ein Erbe derselben Sowjet-Ära wie die Vorstadt, die er auf dem Weg zum Tatort gesehen hatte.
Der unorthodoxe Bau hatte die Menschen, die dort arbeiteten, nicht flexibler gemacht. Das hatte er inzwischen verstanden. Die Ermittler weigerten sich, mit ihm zu sprechen. Die Dame an der Vermittlung stellte ihn konsequent zu einer Voice-Mailbox durch, die als Hinweistelefon diente.
Damit war jetzt Schluss.
Er musste dort hinein, koste es, was es wolle.
Er ballte die Fäuste und machte sich bereit.
Der Haupteingang war im altkommunistischen Teil des Komplexes. Jacob betrat die Eingangshalle und hatte sofort ein Déjàvu-Erlebnis. Steinboden, helles Holz, Glaskasten. Wie im Foyer der Zeitung Aftonposten.
»Jacob Kanon, NYPD«, sagte er. »Ich möchte Kommissar Mats Duvall sprechen. Es geht um die Morde auf Dalarö.«
Die dicke Frau an der Pforte sah sich beeindruckt seine Polizeimarke an.
»Erwartet er Sie?«
»Das sollte er«, antwortete Jacob vollkommen wahrheitsgemäß.
»Ich sag ihm Bescheid«, sagte die Frau und nahm den Hörer ab.
»Brauchen Sie nicht«, sagte Jacob. »Ich finde den Weg. Er sitzt im fünften Stock, nicht wahr?«
Er hatte das Gebäude von außen betrachtet und sich ausgerechnet, dass der Büroflügel sieben Stockwerke hatte.
»Im vierten«, erwiderte die dicke Frau und legte den Hörer wieder auf, während sie die innere Tür mit einem Knopfdruck öffnete. Yes!
Er stieg in den Aufzug, fuhr in den vierten Stock und betrat einen schmalen Flur mit niedriger Decke und brummenden Neonleuchten. Er ging unschlüssig ein paar Meter, ehe er an eine Tür klopfte, den Kopf in ein kleines Büro steckte und fragte:
»Entschuldigung, Duvall, wo sitzt der noch gleich?«
Eine Frau mit Pferdeschwanz und Brille sah verwundert zu ihm auf.
»Sie gehen gerade den Mord auf Dalarö durch«, sagte sie. »Konferenzraum C, glaube ich.«
» Thanks «, sagte Jacob und ging zurück, am Konferenzraum C war er vorbeigekommen. Er stellte sich vor die Tür, von drinnen waren Stimmengemurmel und Stühlerücken zu hören. Er holte tief Luft, klopfte nachdrücklich an und öffnete die Tür, ohne eine Antwort abzuwarten.
Zehn Leute, das Kernteam der Ermittlungsgruppe, saßen dort zusammen. Mats Duvall, Gabriella Oscarsson, eine Frau um die
fünfzig im Kostüm, zwei ziemlich junge Frauen und fünf Männer unterschiedlichen Alters. Auf dem Tisch standen Kaffee und Kuchen. Er betrat den Raum und schloss die Tür hinter sich.
Kaffeebecher verharrten in der Luft, Hände erstarrten, zehn Paar Augen schauten ihn verwundert an.
»Hier geht gerade eine Ermittlung zum Teufel«, sagte er, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich an den Tisch.
27
Es war totenstill im Raum. Zweifellos hatte er ihre Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Nun blieben ihm noch ungefähr zehn Sekunden, bevor man ihn hinauswerfen würde.
»Vermutlich haben Sie bereits festgestellt, dass Pässe sowie Geldbörsen der Opfer fehlen«, sagte er. »Schmuck, Kameras und andere Wertsachen sind weg. Ihre Bankkonten sind leergeräumt, die Kreditkarten bis zum Anschlag ausgereizt. Wenn Sie die Kontobewegungen verfolgen, werden Sie sehen, dass mindestens ein großer Einkauf mit Karte bezahlt wurde, ehe die Barabhebungen beginnen.«
Er verstummte. Niemand rührte sich.
»Sie suchen nach einem attraktiven, jungen Paar Mitte zwanzig«, fuhr er fort. »Vielleicht sind sie sogar noch jünger. Ein Mann und eine Frau, englischsprachig und vermögend, vermutlich weiß und wie normale Touristen unterwegs.«
Mats Duvall räusperte sich.
»Zur Information für meine Kollegen: Dieser Mann ist von der Mordkommission der New Yorker Polizei. Sein Name ist Jacob Kanon. Seit Neujahr hat er alle Ermittlungen verfolgt. Er hat einen persönlichen Grund dafür …«
»Mein Tochter Kimberly war eines der Opfer in Rom«, sagte Jacob.
Er ließ den Blick über die Gruppe schweifen. Der Schreck
über seinen plötzlichen Auftritt wich bei einigen von ihnen zunehmender Gereiztheit. Einer der älteren Männer, ein Glatzkopf in Schlips und Kragen, wirkte richtig wütend.
»Wir sind hier in Schweden«, sagte der Mann. »Hier hat die schwedische Polizei die Amtsgewalt. Wir brauchen keine Lektion in Ermittlungsarbeit, weder vom FBI noch von
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