Letzter Gruss - Thriller
soll die fliegende Statue darstellen, die auf dem Platz vor dem Park steht. Die Frau könnte das ›Mädchen mit den Hasenohren‹ sein. Die Skulptur gehört zu einer Ausstellung, die gerade dort gezeigt wird …«
»Lassen Sie die Überwachungsvideos vom Millesgården bringen«, sagte der Kommissar, und einer der Ermittler verschwand nach draußen. »Was haben in diesem Zusammenhang die Kunstwerke zu bedeuten?«
»Das wissen wir noch nicht«, antwortete Gabriella.
Dessie kniff die Augen zusammen und ging mit dem Gesicht
näher an das Foto heran. Brauchte sie eine Brille, oder war das Foto so unscharf?
»Ich glaube, vielleicht …«, sagte sie zögernd.
»Was?«, fragte Jacob.
Sie zeigte auf einen Schatten nahe der Stirn des Mannes.
»Das da«, sagte sie, »könnte eine Balustrade sein oder ein Geländer. Und so hoch oben müsste es sich auf dem Dach eines großen Gebäudes befinden.«
»Und?«
»Außer Schneefängern sind Geländer auf Stockholmer Wohnhäusern total unüblich. Das hier ist etwas anderes.«
»Was denn zum Beispiel?«
Sie stockte und fingerte an ihrem Kugelschreiber herum.
»Also, ich kann mich natürlich auch irren …«
» Jeezez fucking Christ «, schrie Jacob. »Spucken Sie es aus!«
Dessie fuhr auf und ließ den Stift fallen.
»Das Königliche Schloss«, sagte sie.
Jacob hob die Brauen.
»Das Schloss? Haben die Mörder beim König eingecheckt?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Das im Hintergrund ist das Schloss. Der Tatort muss genau gegenüberliegen.«
Mats Duvall sprang auf.
»Grand Hotel«, sagte er und war bereits auf dem Weg zur Tür.
46
Das Fünf-Sterne-Hotel am Södra Blasieholmshamnen hatte dreihunderteinundsiebzig Zimmer, verteilt auf sieben Etagen. Ungefähr die Hälfte mit Blick aufs Wasser und das Schloss.
Die Hoteldirektorin war gefasst, aber kurz angebunden.
»Natürlich werden wir Sie unterstützen«, sagte sie, »aber ich bitte sehr darum, dass Sie diskret vorgehen.«
Mats Duvall forderte alle zur Verfügung stehenden Einsatzkräfte zur Razzia an. Jacob und Gabriella warteten nicht, bis die Verstärkung eintraf. Sie begannen im ersten Stock des Hotels und klapperten mit einer Rezeptionistin, die einen digitalen Belegungsplan bei sich führte, Zimmer für Zimmer ab. Jacob klopfte an, und wenn er eine Antwort erhielt, ging er sofort weiter. Die Mörder würden wohl kaum neben den Leichen sitzen bleiben und darauf warten, entdeckt zu werden, so viel war klar. Wenn niemand antwortete, was meistens der Fall war, öffnete Gabriella mit dem Generalschlüssel die Tür.
Jacob ertappte sich dabei, dass er jedes Mal, wenn eine neue Tür aufging, den Atem anhielt.
Im ersten Stock fanden sie nichts.
Sie liefen die Stufen zur zweiten Etage hinauf.
»Wie haben die anderen Hotels ausgesehen?«, fragte Gabriella leicht außer Atem, während sie durch den nüchternen Flur eilte. »Waren das genauso edle Schuppen?«
Jacob klopfte an die Tür ganz am Ende des Ganges und bekam ein widerwilliges » Oui? « zur Antwort.
» Sorry «, sagte er. » Wrong room «, und ging rasch weiter zum nächsten Zimmer.
Er klopfte, keine Reaktion.
»Nein«, sagte er zu Gabriella. »Keines war in dieser Preisklasse.«
Gabriella steckte die Karte ins Türschloss, und es klickte. Jacob öffnete, und vom Bett aus wurde ihm ein » What the fuck! « entgegengeschleudert.
» Sorry! « Er zog die Tür wieder zu.
»Hier sind überall Kameras«, sagte Gabriella und zeigte an die Decke.
»Gab es bei den anderen nicht«, sagte Jacob und ging weiter.
In diesem Moment klingelte Gabriellas Handy. Sie antwortete mit dem üblichen Gegrummel. Hörte sieben Sekunden lang zu und legte auf.
»Vierter Stock«, sagte sie. »Zwei holländische Touristen.«
47
Nienke van Mourik und Peter Visser, gemeldet unter ihrer jeweils eigenen Adresse im Zentrum von Amsterdam, hatten am Samstag, den 11. Juni abends für vier Nächte im Grand Hotel eingecheckt.
Sie würden nie wieder auschecken.
Jacob betrachtete ihre toten Körper mit kalter Konzentration. Für anderes war kein Platz, nicht hier und jetzt. Die Trauer und die Wehmut über ihre verlorenen Leben würden später einsetzen, in der Nacht, in seiner schrecklichen Gefängniszelle, wenn die Dunkelheit undurchdringlich und die Schnapsflasche so gut wie leer war.
Die Kunstwerke, auf die Gabriella angespielt hatte, kannte er nicht, doch die Leichen waren eindeutig arrangiert. Die Spielzeugohren der toten Frau stießen ihm besonders übel auf. Vielleicht, weil
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