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Letzter Mann im Turm - Roman

Letzter Mann im Turm - Roman

Titel: Letzter Mann im Turm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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sagt, dass wir jetzt alle am
Kala Paani
stehen. Mr Shah sagt das auch. Wir müssen Grenzen überschreiten. So wie er auch, als er damals ohne Schuhe zu Fuß nach Mumbai gekommen ist.»
    «Woher wissen Sie das alles?» Mrs Rego senkte die Stimme. «Haben Sie ihn getroffen?»
    Mrs Puri nickte.
    «Haben Sie über Geld gesprochen?»
    «Nein.
Mich
hat er nicht zu bestechen versucht.»
    Mrs Rego schaute weg.
    «Es ist eine simple Sache», sagte Mrs Puri. «Und dann ist dieser ganze Albtraum für uns vorbei. Wir können Mr Shah sofort anrufen. Bevor Shanmugham kommt.»
    «Wir haben es damit schon versucht. Mir hat das nicht gefallen. Kriminelle in meiner Wohnungsgenossenschaft.»
    Mummy lächelte und wischte Ramu den Mund ab.
    «Es geht noch einfacher. Nur ein kleiner Schubs. Aber es muss
jetzt
geschehen.»
    Mrs Rego runzelte die Stirn; sie versuchte zu verstehen, was ihre Nachbarin da gesagt hatte.
    «Georgina! Was machst du in Bandra?»
    Eine Frau in einem grünen Kleid kam auf sie zu; ein großer kahlköpfiger Ausländer mit einem Ziegenbärtchen folgte ihr.
    Man machte sich miteinander bekannt; die Frau im grünen Kleid war Catherine, Mrs Regos Schwester, und der Ausländer in ihrem Schlepptau war ihr amerikanischer Ehemann Frank, der Journalist. Seine Artikel erschienen in vielen, vielen progressiven Zeitschriften.
    «Wir haben über deine Wohnungsgenossenschaft in der Zeitung gelesen, Georgina», sagte Frank an seine Schwägerin gerichtet. «Und über den alten Lehrer. In der
Sun.»
    Bisher hatte Mrs Rego ihrem Teller mit
bhelpuri
nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt. Nun begann sie zu essen.
    Frank rieb sich die Hände. «Ich weiß, warum er das macht. Es ist ein Statement, oder? Gegen Bauprojekte. Gegen illegale Sanierungsprojekte.»
    Mrs Rego aß ihr
bhelpuri.
Mrs Puri stand auf und wandte sich an den Ausländer.
    «Er macht kein Statement, er ist
verrückt!»
    Der Amerikaner zuckte zusammen.
    «Nein, ich glaube, es ist ein Statement.»
    «Was wissen Sie denn schon, Sie wohnen doch nicht in Vishram. Gestern ist er auf der Dachterrasse herumgelaufen. Immer im Kreis, immer im Kreis. Mit einem Rubik’s Cube in der Hand. Was soll das bedeuten, außer ‹Ich habe völlig den Verstand verloren›? Und wir hören ihn sehr wohl, mein Mann und ich, wie er nebenan mit Frau und Tochter spricht, als wären sie noch am Leben.»
    Mrs Puri blickte zu Ramu hinüber. Der Junge spielte mit Mrs Regos Kindern.
    «Hier wird kein Statement abgegeben», flüsterte sie. «Hier herrscht lediglich der Irrsinn.»
    Der Teller
bhelpuri
fiel Mrs Rego aus der Hand. Sie begann zu schluchzen.
    Catherine hockte sich neben ihre Schwester und streichelte ihr über den Rücken.
    «Frank, musstest du diesen schrecklichen Mann erwähnen? Musstest du meine Schwester so durcheinanderbringen?»
    «Was habe ich denn getan?» Der Mann schaute nach links und rechts. «Ich habe doch nur gesagt …»
    «Halt den Mund, Frank. Du bist manchmal so unsensibel. Weine nicht, Georgina. Wir holen dir einen neuen Teller. Komm, sieh mich mal an.»
    «Ich werde das Geld verlieren, das ist nicht fair», schluchzteMrs Rego. «Das ist nicht fair, Catherine. Du hast mich wieder übertrumpft. Das tust du immer.»
    «Oh, Georgina …»
    Mrs Regos Kinder setzten sich rechts und links neben sie und hielten schützend ihre Hände.
    «Mummy», flüsterte Sunil, «Tante Catherines Kinder sind blöd. Das weißt du doch. Sarah und ich werden ganz viel Geld für dich verdienen, und dann wirst du sie wieder übertrumpfen. Mummy, wein doch nicht.»
    Eine Stunde später öffnete Mrs Puri für ihren Ramu das Tor der Vishram Society.
    Mrs Rego und ihre Kinder folgten Ramu.
    «Die ganze Vishram Society ist machtlos gegen einen kleinen Vogel», sagte Mrs Puri, als sie vor Mrs Saldanhas Küchenfenster standen.
    Ein Krähennest war über Mrs Saldanhas Küchenfenster gebaut worden; seit Tagen regnete es Zweige und Federn in die Küche. Mary hatte sich geweigert, etwas zu unternehmen, es bringe Unglück, die Eier herabzuschütteln. «Ich bin auch eine Mutter», hatte sie entgegnet, als Mrs Saldanha sie beschuldigte, ihre Pflichten vernachlässigt zu haben.
    Nun waren die Eier ausgebrütet. Zwei kleine Schnäbel öffneten sich blutrot und kreischten den ganzen Tag lang verzweifelt. Die Mutterkrähe hüpfte von Küken zu Küken und stopfte jedem tröstend den Schlund, aber sie schrien mit hochgereckten Schnäbeln nach mehr, nach viel mehr.
    «Wir sagen dem Verwalter, er soll den

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