Letzter Mann im Turm - Roman
Porträt von Sai Baba sowie ein Foto der Statue des Gottes Balaji, die sich im Tirupati-Tempel befindet, gekleidet in ein Gewand aus 24-karätigem Gold.
«Der dritte ist mein wichtigster Gott. Kennen Sie seinen Namen? Bitte schauen Sie ihn sich näher an. Gehen Sie ruhig zur Wand rüber.»
Die Frau im blauen Sari tat, wie ihr geheißen; zwischen den Göttern erblickte sie eine kleine gedruckte Liste.
Informieren Sie sich über die Fakten
Zwei ZKB (Zwei Zimmer Küche Bad)
Drei ZKB (Drei Zimmer Küche Bad)
Vier ZKB (Vier Zimmer Küche Bad)
Kaution: bis zu sechs Monatsmieten
Draufgeld: muss gezahlt werden
K.E.U.
(Keine-Einwand-Urkunde vom Verwalter des Wohnhauses):
wird benötigt
Polizeiliches Führungszeugnis (von der örtlichen Wache): wird vom
Makler eingeholt
Passfotos (2x): benötigt
Beschäftigungsnachweis: ein Muss
Tatsächliche Wohnfläche; Gesamtwohnfläche (inkl. Wände, Balkon, etc.); gesamte Nutzfläche (inkl. Garten, Treppenhaus, Lift, etc.): Informieren Sie sich über die Unterschiede
Nutzungsvertrag (kein Mietverhältnis): Wer bezahlt das Stempelpapier? Vorab klären
Mietertypen: Familie, Junggeselle (ohne Festanstellung), Junggeselle (mit Festanstellung), im Ausland lebender Inder, ausländischer Pass: Zu welcher Kategorie gehören Sie?
Während sie hinter dem Makler stand, fiel ihr auf, dass sein rechter Fuß, der aus dem Schuh geschlüpft war, die unterste Schublade des Schreibtisches in offensichtlicher Erregung auf- und zuzog.
«Kennen Sie den Namen dieses Gottes, Miss? Er heißt ‹Information›. Machen auch Sie ihn zu Ihrem Herrn. Bitte setzen Sie sich wieder.»
Er wartete, bis sie wieder Platz genommen hatte, und drehte ihr dann ein gerahmtes Foto zu, sodass sie die Bilder sehen konnte.
«R und R, meine beiden Söhne. Rajeev und Raghav. Wie bei mir. R für Ramesh. Auch bei meiner Maklerfirma, R für Renaissance. Und schauen Sie, beide tragen Taekwondo-Anzüge. Fitness ist mein vierter Gott.»
Während die junge Frau die Bilder bewunderte, beugte er sich vor.
«Ms Swathi, dieser Ramesh Ajwani ist ordentlich, fröhlich, hässlich, primitiv, ehrlich und hat ein Mungogesicht.» Er unterstrichjedes Attribut mit den Händen, an deren Fingern billige Ringe steckten. «Das sind seine Tugenden.»
Die junge Frau kämpfte mit sich, hielt sich dann die Hand vor den Mund und gab schließlich auf. Sie bog sich vor Lachen; der Makler strahlte.
«Ich bringe die Leute auch gerne zum Lachen. Besonders junge Frauen. Ihr Lachen ist das süße –»
Genau da öffnete sich die Glastür von Renaissance Immobilien. Kothari, Vishrams Verwalter, kam mit einem anderen Mann herein; er war groß, dunkelhäutig, wie ein Vertreter in weißem Hemd und schwarzer Hose.
«Was ist los, Kothari?», fragte Ajwani. «Ich habe eine Kundin.»
«Es ist dringend», sagte der Verwalter.
Ajwani sprach mit einer jungen Frau im himmelblauen Sari, der ihren Bauchnabel freiließ. Nichts konnte dringender sein.
«Wir suchen eine Dreizimmerwohnung für sie und ihre Eltern. Ich komme in Ihr Büro, wenn wir hier fertig sind, Kothari. Und was Sie betrifft, Sir, ich bin nicht an weiteren Versicherungen interessiert, danke schön.»
«Ajwani, Ajwani.» Der Verwalter stützte sich mit den Fäusten auf den Schreibtisch. Seine Stimme zitterte. «Ihre Träume werden sich bald erfüllen, Ajwani.»
Der Mann, der wie ein Versicherungsvertreter aussah, setzte sich und schob dem Makler über die laminierte Tischplatte ein Blatt Papier zu.
Ajwani setzte seine Halbbrille auf, dann nahm er das Blatt in die Hand und las.
Ein kleiner Hindutempel stand an einer Kreuzung, gleich nach dem Obst-und-Gemüse-Markt. Bettler hockten dort, braun gefleckte Ziegen trotteten herum, Mrs Puri betete.
Bewege ihn, Gott. Den Stein, der Ramus Geist blockiert. So hatte sie es sich immer vorgestellt: Ein Felsbrocken hielt den Geistihres Sohnes in einer Höhle gefangen. Lass ihn zumindest nicht weiterrollen und Ramu noch tiefer in die Höhle treiben. Wer wird sich um ihn kümmern, wenn er alt wird?
Wenn es um Gebetsorte in Mumbai ging, war Mrs Puri Expertin – ob muslimisch, christlich oder hinduistisch, für ihren Ramu war sie bei allen gewesen. Ob Haji-Ali-Moschee, Mount-Mary-Kirche, Siddhi-Vinayak-Tempel oder Mahalakshmi-Tempel – sie hatte überall gebetet.
Sie gab jedem der am Tempel hockenden Bittsteller eine Rupie, vergewisserte sich, dass sie ihr Geld auch verdienten – «Ramesh Puri. Wir nennen ihn Ramu. Betet für ihn mit aller Kraft» –, und ging
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