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Letzter Tanz - Lincoln Rhyme 02

Letzter Tanz - Lincoln Rhyme 02

Titel: Letzter Tanz - Lincoln Rhyme 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeaffery Deaver
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ihr den Drehstab für seine Markise auszuleihen -ein anderthalb Meter langes Metallrohr.
    Wieder am U-Bahn-Ausgang zurück, steckte Sachs den Metallstab durch ein rostiges Kettenglied am Schloß und drückte dagegen, bis die Kette ganz gespannt war. Sie zog einen Nomex-Handschuh über und sprühte den Inhalt einer Butandose über das Metall, das durch die Verdunstungsenergie mit einer Eisschicht überzogen wurde. (Amelia Sachs war nicht umsonst Straßenpoli-zistin im härtesten Abschnitt des Times Square gewesen; sie wußte genug über Einbrüche, um damit notfalls eine zweite Karriere beginnen zu können.)
    Nachdem sie auch die zweite Dose entleert hatte, packte sie den Stab mit beiden Händen und begann zu drücken. Das eisige Gas hatte das Metall der Kette extrem brüchig gemacht. Mit einem sanften Klicken brach das Kettenglied entzwei. Sie fing die Kette auf, bevor sie auf den Boden fallen konnte, und legte sie geräuschlos auf einen Haufen Blätter.
    Die Scharniere waren vom Regen feucht, aber sie spuckte sicherheitshalber noch darauf, damit sie nicht quietschten, und drückte das Tor dann vorsichtig auf. Sie zog ihre Glock aus dem Halfter und dachte: Ich habe dich über 300 Meter verfehlt. Über 30 Meter wird mir das nicht passieren.
    Rhyme würde sicher nicht billigen, was sie tat, aber Rhyme wußte nichts davon. Sie mußte kurz an ihn denken, an die vergangene Nacht, als sie bei ihm im Bett gelegen hatte. Doch sein Gesicht verschwand rasch wieder aus ihrem Bewußtsein. Ihre jetzige Mission ließ ihr ebensowenig wie ein Autorennen mit 240 Stundenkilometern Zeit, die Desaster in ihrem Privatleben zu beweinen. Sie verschwand in dem düsteren Tunnel, sprang über das altertümliche hölzerne Drehkreuz und lief auf dem alten Bahnsteig in Richtung Haltestelle.
    Sie war keine zehn Meter weit gekommen, da hörte sie die Stimmen.
    »Ich muß jetzt gehen... verstehst du... Ich hab gesagt... Verschwinde.«
    Ein männlicher Weißer.
    War es der Tänzer?
    Ihr Herz hämmerte wild in ihrer Brust.
    Atme ganz langsam, sagte sie sich. Schießen heißt Atmen. (Aber draußen am Flughafen hatte sie nicht langsam geatmet. Sie hatte vor Angst gekeucht.)
    »Yo, was meinste, Mann?« Eine andere Stimme. Ein männlicher Schwarzer. Etwas in der Stimme jagte ihr Angst ein. Da war etwas sehr Gefährliches. »Ich kann Kohle beschaffen. Yeah, kann ich. 'nen Scheißhaufen Geld. Ich hab zwanzig, hab ich dir das gesagt? Aber hey, Mann, ich krich auch mehr zusammen. So viel wie de willst. Ich hatt' 'n guten Job. So 'n Arsch hat 'n mir weggenommen. Hab zuviel gewußt.«
    Die Waffe ist nur ein Fortsatz deines Arms. Ziele mit dem ganzen Körper, nicht mit der Waffe.
    (Aber auf dem Flughafen hatte sie überhaupt nicht gezielt. Sie hatte wie ein verschrecktes Kaninchen flach auf dem Bauch gelegen und blind gefeuert - die sinnloseste und gefährlichste Art zu
    schießen.)
    »Verstehst du, Mann. Ich habe meine Meinung geändert, okay? Laß mich... verschwinde einfach. Ich gebe dir... Demmies.«
    »Du hast mir auch nicht gesagt, wohin wir gehn. Wo is das, wohin wir stöbern soll'n? Sag's mir erst. Wo? Sag's mir.« »Du gehst nirgends hin. Ich will, daß du abhaust.«
    Sachs schlich leise die Stufen hoch.
    Rief sich die Regeln in Erinnerung. Richte die Waffe auf dein Ziel, achte auf deine Umgebung, drück dreimal ab. Geh wieder in Deckung. Ziele, drücke wieder dreimal ab, wenn nötig. Geh in Deckung. Nicht aus der Fassung geraten.
    (Aber auf dem Flughafen hatte sie die Fassung verloren. Diese fürchterliche Kugel direkt neben ihrem Gesicht...)
    Vergiß es. Konzentriere dich.
    Wieder ein paar Stufen höher.
    »Un nu sagste, ich krich die Demmies nicht für umme? Nu sagste, ich muß blechen, stimmt's? Du Arsch!«
    Stufen waren immer am schlimmsten. Ihre Knie waren ihr Schwachpunkt. Verdammte Arthritis...
    »Hier, hier sind ein Dutzend Demmies. Nimm sie und hau ab!«
    »'nen Dutzend. Un ich muß nicht dafür blechen?« Er lachte laut auf. »'nen Dutzend?«
    Sie war fast oben angelangt.
    Beinahe konnte sie schon den eigentlichen Bahnhof einsehen. Sie war bereit zu schießen. Mädel, wenn er sich auch nur ein paar Zentimeter in irgendeine Richtung bewegt, knallst du ihn ab. Vergiß die Regeln. Drei Schüsse in den Kopf. Peng, peng, peng. Vergiß die Brust, vergiß...
    Plötzlich trat sie ins Nichts.
    »Ahrg!« Ein Stöhnen drang tief aus ihrer Kehle, während sie fiel. Die Stufe, auf die sie zuletzt getreten war, war eine Falle gewesen. Der Unterbau war

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