Letzter Tanz - Lincoln Rhyme 02
soeben festgestellt, daß der Feind es mit psycholo
gischer Kriegsführung versucht hat. Seine Taktik ist jedoch fehl
geschlagen, Sir. Ich bin nun bereit, wie geplant vorzugehen, Sir. Sehr gut, Soldat. Aber sei vorsichtig. In dem Augenblick, als Stephen die Hintertür zur Feuerwehr
station geöffnet hatte und eingedrungen war, hatte er beschlossen, daß es bei seinem Plan bleiben mußte. Der Plan war einfach perfekt, und er konnte sich die Chance nicht entgehen lassen, außer der Ehefrau und dem Freund auch noch Lincoln, den Wurm, und die rothaarige Polizistin zu töten.
Stephen blickte auf die Uhr. In fünfzehn Minuten würde Jodie auf seinem Posten sein. Er würde Stephen anrufen, und Stephen würde die hohe Stimme des Mannes ein letztes Mal hören.
Und dann würde er den Knopf drücken und die dreihundert Gramm RDX in Jodies Mobiltelefon zünden.
Delegiere... Isoliere... Eliminiere.
Er hatte wirklich keine andere Wahl.
Außerdem, dachte er, worüber sollten wir uns denn überhaupt unterhalten? Was sollten wir denn tun, wenn wir den Kaffee ausgetrunken hätten?
VIERTER TEIL
Affenkünste
Der Falken Neigung zu Luftakrobatik und Torheiten wird nur von den Possen der Raben übertroffen, und das schiere Vergnügen scheint sie fliegen zu lassen.
A Ragefor Falcons, Stephen Bodio
26. Stunde von 45
Warten.
Rhyme war allein in seinem Schlafzimmer und verfolgte die Funksprüche auf der Frequenz für Sondereinsätze. Er fühlte sich todmüde. Es war Sonntag mittag, und er hatte so gut wie gar nicht geschlafen. Er war ausgelaugt von seiner bisher größten Anstrengung überhaupt - vom Versuch, den Tänzer zu überlisten. Jetzt forderte sie von seinem Körper ihren Tribut.
Cooper führte unten im Labor weitere Tests durch, um Rhymes Theorie über die neueste Taktik des Tänzers zu stützen. Alle anderen befanden sich in dem sicheren Haus, auch Amelia Sachs. Nachdem Rhyme, Sellitto und Dellray einen Plan entwickelt hatten, um den nächsten Angriff des Tänzers auf Percey Clay und Brit Hale abzuwehren, hatte Thom Rhymes Blutdruck gemessen und seinen Chef mit väterlicher Autorität ins Bett geschickt; keine noch so vernünftig klingende Widerrede wurde akzeptiert. Sie waren im Aufzug nach oben gefahren, und Rhyme war merkwürdig schweigsam gewesen, beunruhigt, ob er wohl richtig kombiniert hatte.
»Was ist los?« hatte Thom gefragt.
»Nichts. Warum?«
»Du nörgelst gar nicht. Keine Meckereien heißt, daß etwas nicht stimmt.«
»Ha. Sehr komisch«, grummelte Rhyme.
Nachdem Thom ihn vom Rollstuhl ins Bett gehoben und sich um seine Körperfunktionen gekümmert hatte, lehnte sich Rhyme nun in sein luxuriöses Daunenkissen zurück. Thom hatte ihm das Mikrofon für die Stimmerkennungs-software umgehängt, und trotz seiner Müdigkeit war Rhyme Schritt für Schritt die Prozedur durchgegangen, den Computer auf die Frequenz der Sondereinsätze einzuschalten.
Dieses System war wirklich eine erstaunliche Erfindung. Ja, er hatte es gegenüber Sellitto und Banks heruntergespielt. Ja, er hatte genörgelt. Doch der Computer vermittelte ihm mehr als jedes andere Hilfsmittel ein anderes Gefühl sich selbst gegenüber. Jahrelang hatte er sich mit der Tatsache abgefunden, niemals mehr ein Leben zu führen, das auch nur annähernd als normal zu bezeichnen war. Aber mit dieser Maschine und der Software fühlte er sich normal.
Er ließ seinen Kopf kreisen und lehnte ihn dann zurück ins Kissen.
Warten. Warten. Versuchen, nicht an das Debakel mit Sachs letzte Nacht zu denken.
Eine Bewegung in der Nähe. Der Falke stolzierte in sein Blickfeld. Rhyme sah die weiße Brust aufblitzen, dann wandte ihm der Vogel seinen blaugrauen Rücken zu und sah zum Central Park hinüber. Es war das Männchen, wie Percey Clay mit einem Blick erkannt hatte. Kleiner und nicht so waghalsig wie das Weibchen. Ihm fiel noch etwas über Falken ein. Sie waren von den Toten auferstanden. Vor nicht allzu vielen Jahren war der gesamte Bestand im Osten Nordamerikas durch Pestizide unfruchtbar geworden, und die Vögel wären beinahe ausgestorben. Nur dank Aufzucht in Gefangenschaft und einer Reduzierung der Pestizide waren sie wieder gediehen.
Von den Toten auferstanden...
Im Funkgerät knisterte es. Amelia Sachs meldete sich. Sie klang angespannt, als sie ihm berichtete, daß im sicheren Haus alles bereit war.
»Wir sind alle mit Jodie im obersten Stock«, sagte sie. »Warte... da kommt der Wagen.«
Ein gepanzerter Geländewagen mit verspiegelten
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