Letzter Tanz - Lincoln Rhyme 02
Nissan, einen Subaru. Auch einen Accord, aber da sitzen drei Leute drin. Der Nissan kommt dichter an unseren Wagen ran. Das könnte er sein. Kann nicht hineinsehen.«
Lincoln Rhyme schloß die Augen. Er spürte, wie sein linker Ringfinger, sein einziger lebendiger Finger, nervös auf der Bettdecke zuckte.
»Hallo?« sprach Stephen in sein Telefon.
»Yeah«, antwortete Jodie. »Ich bin noch dran.«
»Genau gegenüber dem sicheren Haus?«
»So ist es.«
Stephen sah zu dem Gebäude gegenüber dem sicheren Haus herüber. Kein Jodie, kein Neger.
»Ich möchte dir etwas sagen.«
»Was denn?« fragte der kleine Mann.
Stephen erinnerte sich an das elektrische Knistern, als sein Knie das des anderen Mannes berührt hatte.
Ich kann es nicht tun...
Soldat...
Stephen umklammerte den Fernzünder mit seiner linken Hand. Er sagte: »Hör ganz genau zu.«
»Ich höre zu. Ich...«
Stephen drückte den Auslöser.
Die Explosion war erstaunlich laut. Lauter, als Stephen erwartet hatte. Sie ließ Fensterscheiben erzittern und eine Million Tauben aufgeschreckt gen Himmel flattern. Stephen sah, daß aus dem obersten Stockwerk des sicheren Hauses Glas und Holz auf die Seitenstraße neben dem Gebäude regneten.
Das war sogar noch besser, als er gehofft hatte. Er hatte damit gerechnet, daß Jodie in der Nähe des sicheren Hauses sein würde. Vielleicht in einem Polizeiauto davor. Vielleicht in der Seitenstraße. Aber er konnte sein Glück kaum fassen, daß sie den kleinen Verräter sogar bei sich in dem Gebäude hatten. Das war perfekt!
Er fragte sich, wer sonst noch durch die Explosion getötet worden war.
Lincoln, der Wurm, betete er.
Die rothaarige Polizistin?
Er sah zu dem sicheren Haus herüber und entdeckte Rauch, der aus dem oberen Fenster quoll.
Jetzt würde es nur noch ein paar Minuten dauern, bis der Rest der Einheit eintreffen würde.
Das Telefon klingelte, und Rhyme gab dem Computer den Befehl, das Funkgerät abzuschalten und den Anruf entgegenzunehmen.
»Ja«, meldete er sich.
»Lincoln.« Es war Lon Sellitto. »Ich melde mich über die normale Leitung«, sagte er und meinte damit das Telefon. »Wollte die Frequenz für die Verfolgungsjagd freihalten.«
»Okay. Was gibt's?«
»Er hat die Bombe gezündet.«
»Ich weiß.« Rhyme hatte die Explosion gehört; das sichere Haus lag ein bis zwei Kilometer von seinem Haus entfernt, und trotzdem hatten bei ihm im Schlafzimmer die Scheiben geklirrt, und die Falken vor seinem Fenster waren aufgescheucht worden; erzürnt über die Störung, zogen sie jetzt draußen langsam ihre Kreise. »Sind alle okay?«
»Der kleine Trottel Jodie ist kurz vor dem Durchdrehen. Aber abgesehen davon ist alles in Ordnung. Außer daß die FBI-Leute größere Schäden am sicheren Haus feststellen, als ihnen lieb ist. Zicken schon rum deswegen.«
»Sag ihnen, wir zahlen in diesem Jahr unsere Steuern pünktlich.«
Was Rhyme auf die Bombe in dem Handy gebracht hatte, waren winzige Stückchen Polystyrol, die er in den Staubspuren aus der U-Bahn-Station gefunden hatte. Das und Rückstände von Plastiksprengstoff in einer etwas anderen Zusammensetzung als in der Bombe in Sheila Horowitz' Wohnung. Rhyme hatte einfach die Polystyrolfragmente mit dem Telefon verglichen, das der Tänzer Jodie gegeben hatte, und festgestellt, daß jemand das Gehäuse aufgeschraubt hatte.
Warum? hatte sich Rhyme gefragt. Er konnte nur einen einzigen logischen Grund dafür erkennen, und daher hatte er die Sprengstoffexperten gerufen. Zwei Detectives hatten das Telefon entschärft, indem sie den Klumpen Plastiksprengstoff und den Zünder daraus entfernten. Dann hatten sie eine wesentlich kleinere Menge Sprengstoff mit demselben Zünder in einer Blechtonne neben einem der Fenster deponiert, so daß sie wie ein Geschoß auf die Seitenstraße gerichtet war. Sie hatten den Raum mit Bombenmatten ausgepolstert. Jodie erhielt das nun harmlose Telefon zurück. Er nahm es mit zitternden Händen entgegen und forderte einen Beweis dafür, daß wirklich kein Sprengstoff mehr darin war. Rhyme hatte geschlußfolgert, daß die Taktik des Tänzers darin bestand, durch die Bombe die Aufmerksamkeit der Agenten abzulenken und dadurch eine bessere Gelegenheit zu bekommen, das Transportauto zu überfallen.
Der Mörder hatte wahrscheinlich auch damit gerechnet, daß Jodie die Seiten wechseln und folglich in der Nähe der Polizisten sein würde, wenn er anrief. Wenn er die führenden Köpfe der Operation ausschaltete, hätte der
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