Letzter Tanz - Lincoln Rhyme 02
einige andere alltägliche Ausrüstungsgegenstände des modernen Kriminalisten: Brillen, schnittresistente Latexhandschuhe, Bechergläser, Schraubenzieher und Zangen, Postmortem-Fingerlöffel, Skalpelle, Mundspatel, Tupfer, Becher, Plastikbeutel, Untersuchungstabletts, Untersuchungsproben. Ein Dutzend Eßstäbchen (Rhyme hatte seinen Assistenten eingebleut, Beweismaterial genauso aufzusammeln, wie sie ihr Chop Suey bei Ming Wang an der Ecke aßen.).
Rhyme steuerte den schnittigen, apfelroten Storni Arrow zum Arbeitstisch. Thom streifte ihm das Mikrofon über den Kopf und schaltete den Computer ein.
Kurz darauf erschienen Sellitto und Banks. Sie wurden von einem weiteren Mann begleitet, der gerade eingetroffen war. Er war großgewachsen, schlaksig und schwarz wie Ebenholz. Bekleidet war er mit einem grünen Anzug und einem Hemd von geradezu außerirdischem Gelb.
»Hallo, Fred.«
»Lincoln.«
»Hey.« Sachs nickte ihm kurz zu, als sie den Raum betrat. Sie hatte ihm verziehen, daß er sie vor nicht allzu langer Zeit verhaftet hatte - eine Kompetenz-Kabbelei zwischen den verschiedenen Abteilungen. Inzwischen hatten die hochgewachsene, schöne Polizistin und der gerissene Polizist eine eigenartige Zuneigung füreinander entwickelt. Nach Rhymes Einschätzung gehörten sie beide zu jenem Polizistentyp, der auf Menschen fixiert ist (wohingegen er sich selbst als Beweismittel-Typ einstufte). Dellray vertraute gerichtsmedizinischen Untersuchungen ebensowenig, wie Rhyme Zeugenaussagen Glauben schenkte. Was die ehemalige Streifenpolizistin Sachs anging, nun, sie hatte ihre natürlichen Neigungen, gegen die er nichts tun konnte, aber Rhyme war entschlossen, aus ihr die beste Kriminalistin New Yorks zu machen, wenn nicht sogar des ganzen Staates. Ein Ziel, das durchaus in ihrer Reichweite lag, auch wenn sie es vielleicht selbst nicht wußte.
Dellray schritt durch den Raum, stellte sich neben das Fenster und verschränkte seine mageren Arme. Niemand -auch Rhyme nicht konnte den Beamten ganz genau einschätzen. Er lebte allein in einem kleinen Appartement in Brooklyn, liebte Literatur und Philosophie und liebte es noch mehr, in schummrigen Bars Billard zu spielen. Einst war er die Spitze unter den Undercover-Agenten des FBI gewesen, und noch heute tauchte in Gesprächen gelegentlich sein Spitzname aus jener Zeit auf: »Das Chamäleon« - eine ehrfürchtige Anspielung auf seine unglaubliche Fähigkeit, sich in jede Undercover-Rolle einzuleben. Auf sein Konto gingen mindestens tausend Festnahmen. Aber er hatte zu lange in diesem Bereich verbracht und war daher »überfällig« geworden -wie das FBI es nannte. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis ihn ein Bandenboß oder Dealer erkennen und umbringen würde. Deshalb hatte er schließlich widerstrebend einen Verwaltungsjob angenommen, der darin bestand, daß er andere Undercover-Agenten und Informanten führte.
»Also, meine Jungs sagen mir, wir haben es mit dem Tänzer persönlich zu tun«, nuschelte der Agent. Seine Sprechweise war nicht so sehr typisch schwarz als vielmehr, nun... typisch Dellray. Wie sein Leben so waren auch seine Grammatik und sein Vokabular zum großen Teil improvisiert.
»Gibt's irgendwas Neues von Tony?« fragte Rhyme.
»Von meinem verschwundenen Jungen?« Dellrays Gesicht verzerrte sich vor Wut. »Nee, nichts.«
Tony Panelli, der Beamte, der vor einigen Tagen vor dem FBI-Büro verschwunden war, hatte eine Frau und ein Haus hinterlassen. Abgesehen davon blieben von ihm nur ein grauer Ford mit laufendem Motor und ein paar Körner eines aufreizend geheimnisvollen Sandes - jene sanft gerundeten Asteroiden, die Antworten versprochen, aber bisher nicht gegeben hatten.
»Sobald wir den Tänzer geschnappt haben, machen Amelia und ich damit weiter. Rund um die Uhr«, versprach Rhyme.
Dellray klopfte zornig gegen das Ende einer Zigarette, die er hinter sein linkes Ohr geklemmt hatte. »Der Tänzer... Mist. Diesmal müßt ihr das Arschloch wirklich kriegen.«
»Was ist mit dem Mord letzte Nacht?« fragte Sachs. »Habt ihr irgendwelche Hinweise?«
Sellitto wühlte in einem Stapel aus Faxen und seinen handschriftlichen Notizen. Er sah auf. »Ed Carney startete gestern abend um 18.18 Uhr vom Mamaroneck-Flughafen. Die Firma -Hudson Air
- ist eine private Chartergesellschaft. Sie fliegen Fracht, Firmenkunden, alles eben. Leasen Flugzeuge. Sie haben gerade einen neuen großen Auftrag bekommen. Sie fliegen - das ist echt heiß – Körperteile durch die Gegend,
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