Letzter Tanz - Lincoln Rhyme 02
an sie gedacht.«
Er zeigte ein beiläufiges Lächeln, und Sachs spürte, wie ein Schmerz sie durchzuckte - echter Schmerz wie bei dem Schlag, der den Bluterguß in der Form eines Bundesstaates hinterlassen hatte. Weil das, was er sagte, eine Lüge war. Oh, er hatte an diese Frau gedacht. Sachs glaubte nicht an weibliche Intuition, aber sie glaubte an die Intuition einer Polizistin. Sie hatte viel zu lange ihre Runden gedreht, um so etwas nicht zu merken. Sie wußte, daß Rhyme an Mrs. Trilling gedacht hatte.
Natürlich waren ihre Gefühle lächerlich. Sie hatte kein Verständnis für Eifersucht. War nie auf Nicks Job eifersüchtig gewesen
- er war Undercover-Agent gewesen und oft wochenlang verschwunden. War nicht auf die Nutten und blonden Schönheiten eifersüchtig gewesen, mit denen er während seiner Einsätze getrunken hatte.
Und jenseits von Eifersucht, worauf konnte sie denn mit Rhyme schon hoffen? Sie hatte oft mit ihrer Mutter über ihn gesprochen. Und die schlaue alte Frau meinte nur: »Es ist gut, nett zu einem Krüppel zu sein.«
Und das brachte so ziemlich auf den Punkt, was ihre Beziehung sein sollte. Was sie sein konnte.
Es war mehr als lächerlich.
Und doch war sie eifersüchtig. Aber nicht auf Claire.
Sondern auf Percey Clay.
Sachs konnte nicht vergessen, welchen Eindruck die beiden bei ihr
hinterlassen hatten, als sie sie heute nebeneinander in seinem Zimmer gesehen hatte. Mehr Scotch. Sie dachte an die Nächte, die sie und Rhyme hier verbracht hatten, mit Gesprächen über Fälle, mit diesem überaus
guten Whiskey.
Na großartig. Jetzt werde ich auch noch sentimental. Das werde ich aber nicht zulassen. Ich werde dieses Gefühl sofort abtöten. Doch statt dessen bot sie dem Gefühl noch ein bißchen Whiskey an.
Percey war keine attraktive Frau, aber das hatte nichts zu bedeuten. Sachs hatte ein paar Jahre bei der Model-Agentur Chan-telle auf der Madison Avenue gearbeitet, und sie hatte nur eine Woche gebraucht, um die Widersprüchlichkeit von Schönheit zu begreifen. Männer liebten es, toll aussehende Frauen anzustarren, aber andererseits gab es auch nichts, was sie mehr einschüchterte.
»Möchten Sie noch einen Schluck?« fragte sie.
»Nein«, gab er zurück.
Ohne nachzudenken, lehnte sie sich zurück und legte den Kopf auf sein Kissen. Es war schon merkwürdig, wie man sich den Gegebenheiten anpaßte, dachte sie. Rhyme konnte sie natürlich nicht an seine Brust ziehen und den Arm um sie legen. Aber die entsprechende Geste von ihm war, daß er seinen Kopf zu ihrem herüberdrehte. So waren sie schon viele Male zusammen eingeschlafen.
Doch heute spürte sie bei ihm eine Starrheit, eine Zurückhaltung.
Sie hatte das Gefühl, ihn zu verlieren. In ihr war nur noch ein einziger Wunsch: ihm näherzukommen. So nah wie nur möglich. Sachs hatte einmal ihrer Freundin Amy, der Mutter ihres Patenkindes, ihre Gefühle für Rhyme anvertraut. Die Freundin hatte sich gefragt, worin die Anziehungskraft bestand, und gemutmaßt: »Vielleicht liegt es daran, daß er sich nicht bewegen kann. Er ist ein Mann, aber er kann keine Kontrolle über dich ausüben. Vielleicht macht dich das an.«
Doch Sachs wußte, daß es sich genau umgekehrt verhielt. Was sie anzog, war die Tatsache, daß er ein Mann war, der absolute Kontrolle ausübte, obwohl er sich nicht bewegen konnte.
Bruchteile von dem, was er über Claire gesagt hatte und über den Tänzer, kamen ihr in den Sinn. Sie neigte den Kopf und betrachtete seine schmalen Lippen. Ihre Hände begannen zu wandern.
Er konnte natürlich nichts spüren, aber er konnte sehen, wie ihre perfekten Finger mit den verstümmelten Nägeln über seine Brust strichen, über seinen glatten Körper. Thom machte jeden Tag eine Reihe von Gymnastikübungen mit ihm, und Rhymes Körper war der eines jungen Mannes, wenn auch nicht muskulös. Es war, als habe der Alterungsprozeß mit dem Tag seines Unfalls aufgehört.
»Sachs?«
Ihre Hand wanderte tiefer.
Ihr Atem ging nun schneller. Sie zog die Decke herunter. Thom hatte Rhyme ein T-Shirt angezogen. Sie hob es hoch und ließ ihre Hände über seine Brust gleiten. Dann zog sie ihre Bluse aus, öffnete den BH und preßte ihre gerötete Haut an seine blasse. Sie hatte erwartet, daß seine Haut kühl sein würde, doch das war sie nicht. Sie war heißer als ihre. Sie rieb fester.
Sie küßte ihn einmal auf die Wange, dann in den Mundwinkel, dann mitten auf den Mund.
»Sachs, nein... Hören Sie mir zu. Nein.« Doch sie hörte
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