Letzter Tanz - Lincoln Rhyme 02
Agenten und berichteten Haumann, daß sie ein Stockwerk nach dem anderen gesichert hatten.
Schließlich hörte Rhyme: »Der Keller ist gesichert. Aber Jesus, guter Gott, hier unten ist alles voller Blut. Und Innelman ist verschwunden. Wir können ihn nicht finden! Jesus, dieses viele Blut!«
»Rhyme, können Sie mich hören?« »Legen Sie los.«
»Ich bin im Keller des Bürohauses«, flüsterte Amelia Sachs in ihr Kopfhörermikrofon und sah sich dabei um.
Die Wände waren aus schmutzig-gelbem Beton, und der Fußboden war in einem Kriegsschiff-Grau gestrichen. Doch die Ausstattung der feuchten Räume fiel kaum auf angesichts der zahllosen Blutspritzer, die wie auf einem Horrorgemälde von Jackson Pollock den Fußboden bedeckten.
Der arme Agent, dachte sie. Innelman. Sie mußte ihn schnell finden. Jemand, der so stark blutete, konnte nicht länger als fünfzehn Minuten überleben.
»Haben Sie die Ausrüstung dabei?« wollte Rhyme wissen. »Dafür haben wir jetzt keine Zeit! Das viele Blut -wir müssen ihn unbedingt finden!«
»Ruhig, Sachs. Die Ausrüstung. Öffnen Sie den Koffer.« Sie seufzte. »In Ordnung! Ich habe ihn.« Die Ausrüstung zur Untersuchung von Blut an Tatorten enthielt ein Lineal, einen Winkelmesser mit einer Schnur, ein Maßband, die Kastle-Meyer-Reagenz-Testvor-richtung. Auch Luminol - mit dem Eisenoxyd-Rückstände von Blut nachgewiesen werden können, selbst wenn ein Täter alle sichtbaren Spuren abgewaschen hat.
»Es ist ein einziges Chaos, Rhyme«, sagte sie. »Es wird mir nicht gelingen, daraus irgend etwas abzulesen.«
»Ach, der Tatort wird uns mehr sagen, als Sie glauben, Sachs. Er wird uns sehr viel sagen.«
Nun, wenn irgend jemand aus dieser makaberen Szene einen Sinn abzuleiten vermochte, so war es Rhyme; sie wußte, daß er und Mel Cooper langjährige Mitglieder der Internationalen Vereinigung von Blutspur-Experten waren. (Sie war sich nicht sicher, was sie beunruhigender fand -die grausigen Blutspritzer an Tatorten oder die Tatsache, daß eine Gruppe von Menschen existierte, die sich auf dieses Gebiet spezialisiert hatte.) Doch dies hier erschien ihr aussichtslos.
»Wir müssen ihn finden...«
»Sachs, beruhigen Sie sich... Hören Sie mir zu?«
Nach einem Augenblick sagte sie: »Okay.«
»Das einzige, was Sie jetzt erst einmal brauchen, ist das Lineal«, sagte er. »Beschreiben Sie mir zuerst, was Sie sehen.«
»Hier sind überall Blutspritzer.«
»Blutspritzer sind sehr aussagekräftig. Aber sie sind nutzlos, wenn sie sich nicht auf einer gleichmäßigen Oberfläche befinden. Wie ist der Fußboden beschaffen?«
»Glatter Beton.«
»Gut. Wie groß sind die Tropfen? Messen Sie sie aus.«
»Er stirbt, Rhyme.«
»Wie groß?« beharrte er.
»Ganz unterschiedlich. Hunderte von ihnen sind knapp einen
Zentimeter groß. Einige sind größer. Zirka drei Zentimeter. Tausende ganz kleine. Wie gesprüht.« »Vergessen Sie die kleinen. Das sind Sekundärtropfen, von den
großen abgesprengt. Beschreiben Sie die größten. Form?« »Meist rund.« »An den Rändern ausgefranst?« »Ja«, murmelte sie. »Aber es sind auch welche dabei, die glatte
Ränder haben. Ein paar von ihnen sind hier direkt vor mir. Sie sind allerdings ein wenig kleiner.« Wo war Innelman? fragte sie sich. Ein Mann, den sie nie getroffen
hatte. Verschwunden und versprühte Blut wie aus einer Fontäne. »Sachs?« »Was?« schnappte sie. »Was ist mit den kleineren Tropfen? Erzählen Sie mir von
denen.« »Wir haben keine Zeit, das jetzt zu tun!« »Wir haben keine Zeit, es nicht zu tun«, erwiderte er ruhig. Zum Teufel mit Ihnen, Rhyme, dachte sie und sagte dann mit zu
sammengebissenen Zähnen: »Also gut.« Sie maß nach. »Sie sind etwa eineinhalb Zentimeter groß. Vollkommen rund. Keine ausgefransten Ränder.«
»Wo befinden die sich?« fragte er drängend. »Am Anfang oder
am Ende des Flurs?«
»Die meisten sind in der Mitte. An einem Ende des Flurs ist ein
Lagerraum. Da drin und davor sind sie größer und haben ausge
franste oder gezackte Ränder. Am anderen Ende des Flures sind sie kleiner.« »Okay, okay«, sagte Rhyme abwesend, dann verkündete er: »Die
Sache verhält sich so... Wie heißt der Agent?« »Innelman. John Innelman. Er ist ein Freund von Dellray.« »Der Tänzer hat Innelman in dem Lagerraum erwischt und ihm einen Messerstich beigebracht, irgendwo in der oberen Körperhälfte. Hat ihn lahmgelegt, vermutlich am Arm oder Hals. Das sind die großen, ungleichmäßigen
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