Letzter Weg
allein. Ein Officer war dabei.
»Wir dürfen nicht darüber reden, was geschehen ist«, sagte sie zu ihm.
Sie sah blass aus, die Haare zerzaust, die Augen voller Schmerz, doch sie schien sich unter Kontrolle zu haben. Sam breitete die Arme aus, und sie warf sich hinein. Sam sprach ein stummes Dankgebet, dass sie sich von ihm halten ließ.
»Es tut mir so leid, Süße«, sagte er leise.
»Du zitterst ja«, bemerkte Cathy.
»Ich hatte solche Angst«, sagte Sam, »dass du mich hassen würdest.«
Sie zog sich von ihm zurück. »Du verstehst es nicht«, sagte sie.
Neben dem Schmerz war nun noch etwas anderes in ihren Augen, etwas, das nicht so leicht zu lesen war, etwas, das Sam auf Übelkeit erregende Weise an die Leere erinnerte, die er schon einmal in ihrem Gesicht gesehen hatte, bei ihrer allerersten Begegnung vor vielen Jahren, kurz nachdem ihre Eltern ermordet worden waren.
»Du verstehst nicht«, sagte sie erneut, »dass sie genau das wollte.«
»Okay«, sagte der Officer. »Wechseln Sie das Thema, oder das war’s.«
Cathy nickte. »Tut mir leid.« Sie dachte nach. »Darf ich ihm erzählen, was vorher geschehen ist?«
»Steht das mit der Schießerei in Verbindung?«, fragte der junge Mann.
»In gewisser Weise, ja«, antwortete sie.
»Dann nein. Ich glaube nicht.« Er lächelte sie an. »Tut mir leid. Ich hab die Vorschriften nicht gemacht.«
»Schon gut«, sagte Cathy.
»Wie kommst du zurecht?«, fragte Sam. »Warst du schon beim Arzt?«
»Ich brauche keinen Arzt.«
»Wenn es dir zu viel wird, wenn sie dir zu viele Fragen stellen, kannst du ihnen sagen, dass du eine Pause haben willst. Und sag es ihnen, wenn du es dir anders überlegst und doch ein Arzt zu dir kommen soll.«
»Hast du es Grace schon erzählt?«, fragte Cathy.
»Ja, und sie hält durch. Aber vor allem will sie deine Stimme hören.«
»Sie glaubt wahrscheinlich, ich brauche sie wieder als Seelenklempnerin«, sagte Cathy.
»Sie glaubt, du brauchst sie als Mom«, verbesserte Sam sie.
»Ich bin nicht sicher, ob ich nicht vielleicht beides brauche«, entgegnete Cathy.
116.
Alle wollten mit ihr reden.
Die Collier County Police wollte mit ihr über die Schießerei reden, die aufgrund der Polizeibeteiligung eine besondere Brisanz hatte, auch wenn die Tatsache, dass der Schütze ihr Vater war, den Wert ihrer Aussage ein wenig trübte. Die Collier-Leute wollten nicht wirklich über die Verbrechen reden, die das Opfer angeblich gestanden hatte, doch Cathys Bericht über die vielfachen Geständnisse bildete einen wesentlichen Teil ihrer Aussage, und so blieb ihnen keine andere Wahl, als zuzuhören.
Detective Joe Patterson und sein Kollege aus Naples hingegen wollten über Kez’ Geständnis reden, was den Überfall auf Saul anging, zumal es ihre beste Chance war, den Fall abzuschließen.
Mike Rowan aus Broward County wiederum war sehr daran interessiert, Cathy über die Morde an Carmelita Sanchez und Maria Rivera zu befragen – und da Sam in nächster Zukunft anderweitig beschäftigt sein würde, würde Martinez sich alles anhören, was Cathy ihm über Kez, den alten Baseballschläger ihres Dads und Rudolph Muller gesagt hatte.
Natürlich war das alles Hörensagen und daher vor Gericht nicht verwertbar.
Der Schläger lag irgendwo im Golf von Mexiko. Der einzige bekannte forensische Beweis für Flanagans Verbindung zu den Opfern waren die Fleckenrückstände auf dem wiederholt gewaschenen Reggie-Jackson-Shirt, das sie zum Zeitpunkt ihres Todes um die Hüfte getragen hatte.
Alle wollten mit ihr reden, und Cathy wollte auch sprechen, wollte alles herauslassen, es aus dem Kopf bekommen, es sich von der Seele reden. Selbst Kez hatte das akzeptiert. Es war einfach zu viel, als dass sie es allein hätte ertragen können. Wegen Saul und allem, was erdurchmachte. Wegen Kez’ anderen Opfern. Weil sie nicht nur diese Tode auf dem Gewissen haben würde, wenn sie die Wahrheit verschleierte; die Cops würden dann vielleicht hinter ihr her sein. Sie könnten auf die Idee kommen, sie sei Kez’ Komplizin gewesen, auch wenn sie Kez zum Zeitpunkt der Morde an der armen Carmelita Sanchez und dem Hausmeister von Trent noch gar nicht gekannt hatte.
Und weil Cathy schon vorbestraft war, weil sie das Gefängnis kannte, wusste sie auch, dass sie das nicht noch einmal würde ertragen können. Deshalb musste sie kooperieren und reden.
Und dann war da Sam.
Sam der Cop, bewaffnet und gefährlich. Sam der Killer, der Kez, ohne mit der Wimper zu zucken,
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