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Letzter Weg

Letzter Weg

Titel: Letzter Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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an der Uni schon Gerüchte gehört, dass Kez lesbisch sei, aber bis zu diesem Augenblick war ihr noch nicht einmal der Gedanke gekommen, dass Kez sich zu ihr hingezogen fühlen könnte.
    Natürlich ist es nicht so, sagte Cathy sich rasch. Warum auch? Was sie selbst betraf, hatten sie im Laufe der Jahre schon viel zu viele Jungs haben wollen, doch abgesehen von Nick hatte Cathy nicht viel mit den Männern anfangen können.
    Langsam, Mädchen, langsam.
    Das war ohnehin nicht der Punkt. Nicht das, was sie wirklich erschreckte.
    Was Cathy im Augenblick verwirrte, war ihre eigene Reaktion.
    Aufregung.
    »Alles in Ordnung?«
    Kez’ Stimme schnitt durch das Chaos von Cathys Gedanken und erinnerte sie daran, dass sie nur hier miteinander redeten, weil sie sich den Knöchel verstaucht hatte. Kez war freundlich zu ihr; mehr war da nicht.
    »Alles in Ordnung«, sagte Cathy rasch, nahm den Eiswickel ab und setzte den Fuß auf den Boden.
    Es war ja nicht so, als wäre Kez Flanagan irgendein Mauerblümchen gewesen, das viel zu schüchtern war, um zum Punkt zu kommen. Kez war eine unabhängige Frau mit einem eigenen Apartment in Coconut Grove; eine hervorragende Läuferin, die eine ganze Siegesserie vorweisen konnte. Sie hatte beiläufig ihre Sexualität erwähnt, aber keinerlei Interesse an Cathys gezeigt.
    »Willst du mal versuchen, ob du gehen kannst?«, fragte Kez.
    »Klar.« Cathy stand auf und belastete den Fuß.
    »Wie fühlt es sich an?«
    Freundlichkeit, mehr nicht.
    »Gut.« Cathy machte einen Schritt. »Es ist nichts.«
    »Du solltest ihn wieder kühlen, sobald du zu Hause bist, und hochlegen. Und kein Lauftraining für den Rest der Woche, okay?«
    Freundlichkeit.
    Doch die haselnussbraunen Augen waren noch immer unverwandt auf Cathys Gesicht gerichtet.
    Interessiert.
    Vielleicht, dachte Cathy … und wieder war da diese Aufregung.
    Sie war sich nicht sicher, wie sie das einordnen sollte.

19.
    Da Terri an diesem Abend arbeiten musste und David bei einem Freund zum Kartenspielen war, blieb Saul zu Hause in Golden Beach und schmirgelte die Kanten des neuen Schreibtisches, den er für sein Zimmer getischlert hatte. Er dachte daran, wie sehr er die Arbeit mit Holz liebte und wie sehr er sich darauf freute, eines Tages sein eigenes Heim zu haben – mit Terri, falls sie ihn dann noch wollte –, ein Haus mit einem überzähligen Raum oder vielleicht einer Garage, die er in eine Werkstatt verwandeln konnte.
    »Du kannst dir jedes Zimmer dafür nehmen, das du willst«, hatte David ihm mehr als einmal gesagt.
    Hier gab es keinen Platzmangel; das wussten sie beide. Zwei Männer lebten in einem Haus, in dem man bequem vier Personen hätte unterbringen können; doch Saul wollte seine Werkstatt nicht im Haus seines Vaters einrichten – dann hätte er das Gefühl gehabt, alle Hoffnung auf einen Auszug aufzugeben.
    Was keine Beleidigung für seinen Dad war, denn Saul liebte ihn von ganzem Herzen. David Becket war der angenehmste Mensch, den man sich vorstellen konnte. Aber sein eigenes Heim haben zu wollen war etwas vollkommen Natürliches, und David stellte sicher, dass sein Sohn das verstand. Er war froh, Sauls Gesellschaft zu haben, doch wenn die Zeit reif war, würde er ihn zum Auszug ermutigen.
    »Du weißt, dass ich es mir leisten könnte, dir dabei zu helfen«, hatte er Saul vor nicht langer Zeit angeboten. Die Rastlosigkeit seines Sohnes war ihm nicht entgangen, doch Saul hatte gesagt, das wolle er auch nicht, und sein Vater hatte es respektiert.
    Es war sein Selbstwertgefühl, an dem es Saul dieser Tage mangelte – oder vielleicht war er einfach nur von sich enttäuscht. Er hatte sich sehr auf sein erstes Jahr an der University of Miami gefreut und war fest davon überzeugt gewesen, für die zähe, aber stimulierende Reisein die Welt der Medizin bereit zu sein. Am Ende des ersten Jahres wollte er einen möglichst guten Notendurchschnitt haben, um ins Medical Scholars Programm zu kommen. Das hätte ihm am Ende des dritten Jahres einen Platz an der medizinischen Fakultät gesichert.
    Das war der Plan gewesen, doch die Realität war verdammt weit davon entfernt.
    »Ich glaube nicht, dass ich es schaffe«, hatte er sich Terri in diesem Frühling anvertraut.
    »Doch, du packst das«, hatte sie erwidert. »Du bist klug und …«
    »Selbst wenn ich es wäre, es geht nicht nur darum«, hatte Saul sie unterbrochen. »Ich gehe jeden Tag ins Merrick Building, und da bin ich dann von all diesen brillanten, selbstbewussten Leuten

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